Ehemaliger RKI-Mitarbeiter: „RKI macht Deutschland zum Versuchslabor“

Labor einer Forschungsstelle für Komplexchemie.
Labor
[Foto: Wittig; Hans-Günter Quaschinsky, Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de]
Robert Züblin | 20.03.2020 | 17:49 Uhr


Der Präsident des Robert Koch-Institutes (RKI) Prof. Dr. Lothar H. Wieler hat heute eingestanden, dass es sich bei der von ihm empfohlenen Strategie der Verlangsamung der Coronavirus-Ausbreitung um ein Experiment mit ungewissem Ausgang handelt.

Verlangsamung ist nicht alternativlos

Das Robert Koch-Institut verfolgt den Ansatz der Verlangsamung, um mit der Coronavirus-Ausbreitung fertig zu werden. Das Ziel des RKI: Die Kapazitäten in den Krankenhäusern – insbesondere auf den Intensivstationen – sollen erhalten bleiben.

RKI-Präsident Wieler vermittelt dabei den Eindruck, dass die Verlangsamungs-Strategie aus der Natur der Sache folge, es insbesondere keine Möglichkeit zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Epidemie gebe.

Auf der Pressekonferenz des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 17. März 2020 hatte Prof. Dr. Wieler zum Beispiel gesagt: „Pandemien verlaufen in Wellen, das ist immer so.“ Außerdem sagte er, dass man die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus nicht eindämmen könne, sondern diese nur verlangsamen. Auch am 13. März 2020 sagte Wieler, „dass es nicht möglich ist, diese Krankheit aufzuhalten, sondern wir müssen sie verlangsamen“.



Dass Pandemien nicht immer in Wellen verlaufen, kann man schon im Zusammenhang mit der SARS-Pandemie beobachten, die im November 2002 begann und im Juli 2003 endete. Eine zweite SARS-Welle gab es bis heute nicht. Prof. Dr. Wieler bringt hier die Realität mit einer Risikoanalyse aus dem Jahr 2012 durcheinander, die unter der Federführung des Robert Koch-Instituts entstanden ist. In dieser Abhandlung über die Modellierung einer „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ wird tatsächlich von drei Wellen gesprochen, nur handelt es sich dabei nicht um eine reale Begebenheit, sondern um eine theoretische Überlegung:



„Nachdem die erste Welle abklingt, folgen zwei weitere, schwächere Wellen, bis drei Jahre nach dem Auftreten der ersten Erkrankungen ein Impfstoff verfügbar ist.“


Dass eine Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus möglich ist, sagt zumindest die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), die den Ansatz des RKI für hochgefährlich hält, da sie es als praktisch unvorstellbar bewertet, dass die Feinsteuerung der Ausbreitungsgeschwindigkeit gelingt, mit der das RKI gerade so viele Infizierungen zulassen möchte, dass die Kapazitäten in den Krankenhäusern bestehen bleiben. Denn: „Schon eine geringe Erhöhung der Reproduktionszahl [würde] zu einer Überforderung des Gesundheitssystems führen“, warnt die DGEpi. Die Reproduktionszahl ist die Anzahl der angesteckten Personen, die auf einen Infizierten zurückgeht.

 
 

„RKI-Empfehlungen treiben Epidemie voran!“

Angesprochen auf diesen Widerspruch, dass die DGEpi eine Eindämmung noch für möglich hält, das RKI aber behauptet, dass eine Eindämmung der Corona-Epidemie unmöglich sei, sagte Wieler auf der RKI-Pressekonferenz vom 20. März 2020:

„Wir werden hinterher wissen, was die besten Maßnahmen waren.“

Der Hygiene-Arzt Prof. Dr. Klaus-Dieter Zastrow, der früher selbst am RKI Leiter des Fachgebietes „Übertragbare Krankheiten, Impfwesen und Krankenhaushygiene“ war, hält die Aussage von Wieler für einen Skandal und sagt: „Wir sind doch kein Versuchslabor! Wieler hat nicht nur keinen funktionierenden Plan, diese Empfehlungen treiben die Epidemie im Moment sogar voran, weil die Empfehlungen falsch sind.“

Anstatt allen Bürgern zu empfehlen, Masken zum Schutz vor Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu tragen, behauptete Wieler auf der heutigen Pressekonferenz entgegen dem eigenen Regelwerk des RKI, dass der Mund-Nasen-Schutz nicht alle vor einer Ansteckung schützen könne.

„Wenn alle Menschen in der Öffentlichkeit einen Mund-Nasen-Schutz tragen, dann braucht man keine Ausgangssperre. Diese Maßnahme ist leicht kontrollierbar und die einzig wirksame Maßnahme, denn sie verschließt die einzige Infektionsquelle“, empört sich Prof. Dr. Zastrow.



Tschechien hat bereits eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum eingeführt, der Virologe Prof. Dr. Alexander Kekulé verlangt Masken für Menschen, die sich jetzt nicht zuhause einsperren können wie Paketboten, Taxifahrer, Polizisten und Supermarkt-Mitarbeiter. Bei Letzteren hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Ansprache vom 18. März 2020 bedankt, dabei aber unterlassen, die Mitarbeiter zu animieren, sich und andere durch das Tragen von Masken zu schützen. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) sagt sogar: „Jede Maske hat mehr Schutzwirkung für Träger und Gegenüber als keine Maske!“



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„Auch die Behauptung Wielers, dass Händewaschen vor der Ansteckung mit dem Coronavirus schützen würde, ist grundfalsch. Das RKI-Regelwerk sagt ganz klar, dass Händewaschen nicht ausreicht, sondern einzig Desinfektionsmittel gegen Viren helfen“, sagt Prof. Dr. Zastrow.



Tal-mi-or hatte Herrn Prof. Dr. Wieler am 18. März 2020 vor diesem Hintergrund gebeten, einen wissenschaftlichen Beleg dafür anzugeben, dass die nach dem Händewaschen noch verbleibenden Viren auf den Händen keine Ansteckung mehr möglich machen. Wieler sagte daraufhin, dass er eine Literaturstelle, die dies belege, nicht im Kopf habe, er den Beleg aber nachreichen könne. Bis heute, also auch zwei Tage später, hat das RKI trotz nochmaliger Bitte durch tal-mi-or keinen wissenschaftlichen Beleg vorgelegt.

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