Robert Züblin | 01.08.2021 | 23:59 Uhr |
Die mit der neuen Coronavirus-Einreiseverordnung eingeführte Testpflicht für alle Ungeimpften ist rechtswidrig.
Eine pauschale Testpflicht für ungeimpfte Reiserückkehrer und alle anderen ungeimpften Rückkehrer ins eigene Land, die in die Bundesrepublik Deutschland einreisen möchten, ist wegen der Privilegierung von Geimpften und des damit verbundenen Impfdruckes willkürlich und damit völkerrechtswidrig, weil die Einreise ins eigene Land willkürlich verboten wird, was ein Verstoß gegen Artikel 12 des Menschenrechtspaktes bedeutet.
Auch die Ungleichbehandlung von Urlaubern, die zum Zeitpunkt des Wissens um die neue Einreiseverordnung bereits im Urlaub waren, im Vergleich zu Urlaubern, die erst danach in den Urlaub fahren beziehungsweise gefahren sind, ist willkürlich, insbesondere, da der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 2. Juli 2021 eine Testung nach der Rückkehr aus dem Urlaub für ausreichend befand.
Verletzung des Menschenrechtspaktes
In Absatz 4 von Artikel 12 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) steht:
„Niemandem darf willkürlich das Recht entzogen werden, in sein eigenes Land einzureisen.“
Auch Deutschland hat diesen völkerrechtlichen Vertrag unterschrieben sowie ratifiziert und ist damit an ihn gebunden.
Im Kommentar des UN-Menschenrechtsausschusses zu Art. 12 IV des UN-Zivilpaktes, wie der IPbpR auch genannt wird, heißt es:
„In keinem Fall darf einer Person willkürlich das Recht auf Einreise in ihr eigenes Land verweigert werden. Der Verweis auf den Begriff der Willkür in diesem Zusammenhang soll betonen, dass er für alle staatlichen Maßnahmen gilt, seien sie legislativer, administrativer oder gerichtlicher Art; er garantiert, dass selbst gesetzlich vorgesehene Eingriffe mit den Bestimmungen, Zielen und Zwecken des Paktes übereinstimmen und in jedem Fall unter den jeweiligen Umständen angemessen sein müssen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass es, wenn überhaupt, nur wenige Umstände gibt, unter denen der Entzug des Rechts auf Einreise in das eigene Land angemessen sein könnte.“
Die Frage ist also, ob hier einer dieser wenigen nicht-willkürlichen Umstände vorliegt, unter denen die Weigerung des Staates, jemanden in sein eigenes Land zurück reisen zu lassen, angemessen ist.
Willkürlich, weil sachfremd
Willkür ist zum Beispiel dann gegeben, wenn eine staatliche Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht.
Um nicht sachfremd zu sein, müsste es durch die pauschale Testpflicht für alle Nichtgeimpften aus wissenschaftlicher Sicht möglich sein, den Zweck der Einreiseverordnung zu erfüllen, wonach die Einreise von Personen verhindert werden soll, die mit dem Coronavirus infiziert sind, womit die Verbreitung in der BRD verhindert werden soll.
Sachfremd wäre die pauschale Testpflicht für alle Nichtgeimpften, wenn damit eine indirekte Impfpflicht eingeführt wird, indem Impfdruck aufgebaut wird.
Das Problem: Nach aktuellem Kenntnisstand können auch geimpfte Personen das Coronavirus – zumindest in der Delta-Variante – übertragen. „Hohe Viruslasten deuten auf ein erhöhtes Übertragungsrisiko hin und gaben Anlass zur Sorge, dass im Gegensatz zu anderen Varianten geimpfte Personen, die mit Delta infiziert sind, das Virus übertragen können“, sagte die Leiterin der US-amerikanischen Bundesbehörde Centers for Disease Control and Prevention (Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention, kurz: CDC), Rochelle Walensky, in einem Statement am 30. Juli 2021.
Von dem Problem mit der Verbreitung der Delta-Variante durch Geimpfte wusste man in der Deutschen Bundesregierung spätestens seit dem 27. Juli 2021, als die CDC ihre Richtlinien für vollständig Geimpfte anpasste und auch für diese Geimpften das Maskentragen in öffentlichen Innenräumen für notwendig erachtet, damit die Geimpften die Delta-Variante des Virus nicht an andere weitergeben.
Dass nun Geimpfte durch die neue Coronavirus-Einreiseverordnung – mit Ausnahme der Einreise aus Virusvariantengebieten – von der Testpflicht befreit sind, lässt sich vor diesem Hintergrund so erklären, dass Ungeimpfte zur Impfung bewegt werden sollen, um von der Testpflicht bei Einreisen in die BRD befreit zu sein.
Dass man mit der neuen Testpflicht für Ungeimpfte den Impfdruck auf diese Personengruppe erhöhen möchte, darauf deutet auch ein Tweet von Jens Spahn auf Twitter vom 30. Juli 2021 hin:
„Der volle Impfschutz erleichtert das Reisen: Wer geimpft ist, spart sich Test & Quarantäne. Alle ungeimpften Einreisenden ab 12 J. müssen sich testen lassen, ob per Flugzeug, Schiff, Auto oder Bahn. Die Möglichkeit, sich sofort impfen zu lassen, ist da. Wir haben genügend Impfstoff für alle.“
Geimpfte von der pauschalen Testpflicht auszunehmen, um Impfdruck auf Ungeimpfte auszuüben, ist sachfremd, weil es wissenschaftlich nicht vertretbar ist, Geimpfte nicht zu testen, wenn man davon überzeugt ist, dass man mit der Testung von Einreisenden eine Verbreitung des Virus in Deutschland verhindern kann.
Verstoß gegen Gleichheitsgebot
Willkür kann aber auch darin liegen, dass die Verwaltung von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis abweicht, also bestimmte Menschen anders behandelt als andere. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz in Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, folgt auch, dass alle Bürger das Recht auf gleiche Behandlung haben.
Wenn jetzt nur Urlauber aus einigen wenigen Bundesländern, allen voran Bayern, vor den Schulferien gewarnt werden, dass eine Auslandsreise bedeuten kann, im Falle einer positiven Testung nicht mehr ins eigene Land zurückreisen zu dürfen, dann ist das eine Ungleichbehandlung zum Beispiel gegenüber den Berlinern, die das erst kurz vor dem Ende ihres Urlaubes erfahren. Den Berlinern wurde gar nicht die Möglichkeit eröffnet, das Risiko zu kalkulieren, welches mit einem Urlaub im Ausland verbunden ist; den Bayern schon, denn die Ferien in Bayern fingen erst kürzlich am 30. Juli 2021 an. Die Schulferien in Berlin enden hingegen bereits am 6. August 2021 und hatten schon am 24. Juni 2021 begonnen.
Als sicher verkündet wurde die pauschale Testpflicht für alle ungeimpften Einreisenden aber erst am 27. Juli 2021 durch den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), als dieser in den Tagesthemen sagte: „Der Bund hat uns heute zugesichert, er wird es jetzt bis zum 1. August alles probieren, mit einer einheitlichen Testpflicht, nicht nur für Flugreisende, sondern auch beispielsweise für alles was normalen Autoweg oder Bahnweg kommt.“
Gut für Jens Spahn, dass er seinen Urlaub für 2021 in Deutschland geplant hatte. Auf die Frage in einer Pressekonferenz, ob Herr Spahn die Deutschen wegen des Infektionsgeschehens auffordere, den Urlaub in Deutschland zu machen und er mit gutem Beispiel vorangehe, sagte Spahn: „Ich persönlich, oder wir, werden einmal mehr die Schönheit Deutschlands in Bayern genießen.“
Die allermeisten Hauptreiseländer der Deutschen – vor allem in der Europäischen Union – bewertete Spahn auf dieser Pressekonferenz als unproblematisch, sofern man aufpasst und sich nach der Rückkehr testet. Wohlgemerkt: Diese Pressekonferenz, auf der ein Test nach Rückkehr aus dem Ausland vom Bundesgesundheitsminister für ausreichend erachtet wurde, fand erst kürzlich statt, und zwar am 2. Juli 2021.
Viele Urlauber wurden also auch noch völlig falsch von der Bundesregierung beraten. Dass die Tests nun laut der neuen Einreiseverordnung vor der Rückkehr erfolgen müssen und nicht wie von der Bundesregierung einen Monat zuvor noch für sicher erachtet erst nach der Rückkehr, ist ein weiteres Willkürelement, das sich auch nicht mit steigenden Infektionszahlen erklären lässt. Denn: Dass die Urlaubszeit ein Steigen der Infektionsrate zur Folge haben wird, hatte man schon im Jahr davor erfahren.
Dass also bestimmte Urlauber mit der Vorstellung ins Ausland gefahren sind, sie müssen sich wenn überhaupt erst nach der Rückkehr in Deutschland testen lassen, andere Urlauber aber vor dem Auslandsurlaub gewarnt werden, dass sie nicht mehr zurück nach Deutschland fahren dürfen, wenn sie positiv getestet sind, ist ein weiterer Verstoß gegen das Willkürverbot.
Die neue Einreiseverordnung des Herrn Spahn verstößt also gleich zwei Mal gegen Artikel 12 des UN-Menschenrechtspaktes, wegen willkürlicher Hinderung der Einreise in das eigene Land.