Künstlicher Scheintod: Zum ersten Mal Mensch in Winterschlaf versetzt

Herzoperation mit Hilfe von Herz-Lungen-Maschine.
Herz-Operation unter Verwendung einer Herz-Lungen-Maschine
[Fotograf: Horst Sturm, Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de]
Robert Züblin – 21.11.2019, 08:58 Uhr

Zum ersten Mal haben Ärzte im Rahmen einer Studie bei einem Patienten für einen künstlichen Scheintod gesorgt und damit einen beabsichtigten Winterschlaf bei einem Menschen verursacht.

Künstlicher Winterschlaf kann Leben retten

Wie das Fachmagazin „New Scientist“ exklusiv berichtet, soll ein Ärzteteam um Professor Samuel Tisherman bei mindestens einem Patienten mit Hilfe der sogenannten Notfallerhaltung und Reanimation (aus dem Englischen: Emergency Preservation and Resuscitation, EPR) einen künstlichen Scheintod herbeigeführt haben. Ob der Patient überlebte beziehungsweise die Patienten überlebten, soll Tisherman nicht verraten haben.

Das Ziel der EPR-Technik ist es, Menschen mit schweren Verletzungen wie Stich- oder Schusswunden, die mit den heutigen Behandlungsmethoden nur eine minimale Überlebenschance haben, in einen künstlichen Winterschlaf zu versetzen, um sie dann operieren zu können. Ist der Patient Scheintod, hätte man zwei Stunden Zeit, ihn zu operieren.

Um einen Menschen in einen künstlichen Winterschlaf zu schicken, müsse dessen Körpertemperatur auf circa 10 bis 15 °C heruntergekühlt werden. Dazu würde das gesamte Blut mit einer eiskalten Kochsalzlösung ausgetauscht.

Wieso funktioniert der künstliche Scheintod?

Es gibt bereits einige bekannte Unfälle, bei denen Menschen in einen Winterschlaf gefallen sind und diesen überlebt haben. Im Jahr 1999 war Anna Bågenholm zum Beispiel durch einen Ski-Unfall unter einer Eisschicht in einem Bach gefangen. Ganze 80 Minuten sei sie in dem eiskalten Wasser gewesen, wobei sie 40 Minuten lang einen Kreislaufstillstand erlitten habe. Die Körpertemperatur von Bågenholm soll auf 13,7 °C gesunken sein, ohne dass sie einen Hirnschaden dadurch erlitten hätte.

Die Möglichkeit, einen Scheintod zu überleben, wollen sich Wissenschaftler wie Tisherman zunutze machen. Normalerweise würde das Gehirn nach wenigen Minuten ohne Sauerstoff dauerhaft geschädigt werden. Bei niedrigerer Körpertemperatur hingegen benötigten die Zellen weniger Sauerstoff, da die chemischen Abläufe in den Zellen verlangsamt oder sogar gestoppt würden, wie das Magazin „New Scientist“ schreibt. In der dadurch gewonnenen Zeit kann man den Patienten dann operieren.

Das Herz des Patienten höre während des künstlichen Scheintodes auf zu schlagen und die Gehirnaktivität käme fast zum Stillstand, wie es in der Zeitung „The Guardian“ heißt. Nach der Operation müsse man den Patienten wieder aufwärmen. Die Kochsalzlösung wird durch Blut ersetzt und der Patient reanimiert.

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