Ausbeutungs-Maschine Axel Springer: Anschlag auf die offene Gesellschaft

Von Robert Züblin – 05.07.2018, 11:00 Uhr
 

Die treibende Kraft hinter dem Versuch, ein EU-weites Leistungsschutzrecht einzuführen, ist Mathias Döpfner, oberster Chef des Axel-Springer-Konzerns.

Als Präsident des Zeitungsverlegerverbandes BDZV lässt Döpfner verbreiten, dass „Großkonzerne wie Google“ für die „Ausbeutung der Medien- und Kulturschaffenden“ verantwortlich seien.

Dabei saugt Axel Springer viele eigene Redakteure – freie wie feste – ohne Gnade aus, während den Aktionären hohe Gewinne ausgeschüttet werden.

Demonstrant bei der Demonstration (Demo) gegen das Leistungsschutzrecht vor dem Axel-Springer-Hochhaus

Demonstration gegen das Leistungsschutzrecht am 24. Juni 2018
[Foto: Robert Züblin]

 

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Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst

Etliche Verbände hatten in Brüssel zum Endspurt in Sachen Lobbyarbeit angesetzt, bevor die Abgeordneten des Europaparlamentes am 5. Juli 2018 entschieden, wie es mit dem Leistungsschutzrecht und den Upload-Filtern weitergehen würde. So heißt es in einem an die Abgeordneten versendeten Brief des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), den auch die Gewerkschaft verdi und der Deutsche Journalisten-Verband unterschrieben haben: „Die erreichten Kompromisse werden […] nun durch eine gezielte Desinformationskampagne erneut in Frage gestellt.
Das sagen die Richtigen. BDZV-Präsident Mathias Döpfner, nebenbei Vorstandsvorsitzender und Anteilseigner von Axel Springer, scheut selbst nicht davor zurück, einem aufgeklärten Publikum ins Gesicht zu lügen. Zuletzt geschehen bei der Medienenquete in Österreich.

Dort behauptete Döpfner doch tatsächlich, dass Zeitungs-Artikel im Internet derzeit nicht vom Urheberrecht geschützt seien – das Gegenteil ist der Fall! Der originale Wortlaut seiner abenteuerlichen Gesetzes-Verdrehung in Bezug auf die Ware journalistischer „Inhalt“ lautet:

„Im Moment ist es ein in der digitalen Welt nicht geschütztes Gut. Jeder kann einen Artikel, ein Video, ein journalistisches Element, das ein Verlag erstellt hat, nehmen, kann es kopieren, in einen anderen Kontext stellen und selbst erfolgreich vermarkten. Die großen Plattformen tun das, von Google bis Facebook, von Amazon bis Snapchat. Es tun aber auch viele Aggregatoren. Und es ist ein Zustand, der dazu führen wird, dass immer weniger überhaupt noch Geld investieren, um Qualitätsinhalte zu produzieren, weil es kein Geschäftsmodell mehr gibt.
[…]
Jetzt kann man sagen: Warum ist das so? Warum war es nicht schon vorher geschützt? Ganz einfach: Weil in der analogen Welt keiner auf die Idee gekommen wäre, eine Zeitung zu nehmen, sie auf den Kopierer zu legen und sie hunderttausend mal zu kopieren und dann selber an irgendwelchen Vertriebsstellen für teuer Geld zu verkaufen. Das lohnte sich nicht, das ging nicht.“

Hier kann man Döpfners Rechtsverdrehung auf Youtube anschauen. Sie beginnt ab Minute 31 und 36 Sekunden.

Dass sich auch Journalisten-Verbände den Forderungen des BDZV angeschlossen haben, erklärt sich durch die Hinzufügung eines Absatzes bei Artikel 11 im Parlaments-Entwurf zum EU-Leistungsschutzrecht: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Urheber einen angemessenen Anteil der zusätzlichen Einnahmen erhalten, die Presseverlage für die Nutzung einer Presseveröffentlichung durch Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft erhalten.

Schon heute werden aber nicht alle technischen Möglichkeiten genutzt, um Journalisten an Seiten-Klicks zu beteiligen. Wenn Redaktionssysteme keine Einfügung eines sogenannten Zählpixels in einen Online-Artikel ermöglichen, können Redakteure auch keine Vergütung bei der Verwertungsgesellschaft VG Wort über METIS, das Meldesystem für Texte auf Internetseiten erhalten. Ihnen bleibt dann nur noch, an der sogenannten Sonderausschüttung teilzunehmen, bei der die Vergütung pro Artikel in der Regel viel geringer ausfällt. Daran sieht man, wie ernst es der Verlagslobby mit der anteilsmäßigen Beteiligung von Journalisten an der Verwertung kreativer Inhalte ist.

Tarifflucht und Scheinselbstständigkeit

Aber damit nicht genug. Der Zeitungsverleger-Verband BDZV behauptete Ende Juni ernsthaft: „Das [Leistungsschutz-]Recht soll Medienvielfalt stärken und die Ausbeutung der Medien- und Kulturschaffenden durch Großkonzerne wie Google stoppen.

CDU-Politiker Axel Voss übernimmt diese Rhetorik eins zu eins, wenn er gegenüber besorgten Bürgern per Standard-E-Mail-Antwort von der „Ausbeutungsmentalität großer Plattformen“ spricht und „dass diejenigen, die kreative Leistungen erbringen oder dafür wirtschaftlich/strukturell verantwortlich sind, um ihre faire Vergütung“ gebracht würden.

Axel Voss, eigentlich Abgeordneter im Europaparlament, macht sich damit zum Chef-Lobbyisten von Axel Springer und anderen BDZV-Mitgliedern. Voss wird nicht müde, die Geschichte von den ausgebeuteten Verlagen zu erzählen.
Dabei sitzen die wahren Schurken mitten in Berlin. In den Stellenanzeigen von Axel Springer kann man lesen, dass der Konzern keine Hemmung hat, Scheinselbständige auszubeuten, indem man sie unter anderem um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, den bezahlten Urlaub und den Kündigungsschutz bringt.

Aus einer Stellenanzeige von Bild.de für Freie Mitarbeiter: Ein eigener Arbeitsplatz beim „Auftraggeber“ ist ein klares Indiz von Scheinselbständigkeit
[Screenshot von Bild.de durch Robert Züblin]

Die Integration in den Redaktionsablauf und die damit verbundene Weisungsabhängigkeit ist ein weiteres eindeutiges Indiz für Scheinselbständigkeit
[Screenshot von Bild.de durch Robert Züblin]

Wie soll jemand als Selbständiger arbeiten, wenn er 12 Tage im Monat an einem eigenen Arbeitsplatz im Springer-Hochhaus in das Redaktionsteam eingegliedert wird? Das kann doch nur in einer Scheinselbständigkeit enden. Zumal es kaum irgendwo mehr Hierarchie-Ebenen auf so wenigen Quadratmetern gibt wie in einem Zeitungshaus: Volontäre, Redakteure, leitende Redakteure, Stellvertretende Ressortleitung, Ressortleitung, Abteilungsleitung, Stellvertretender Chefredakteur, Chef vom Dienst, Chefredakteur, Vorstand, Aktionäre. Und dazwischen tummeln sich noch Textchefs, die ihre ganz eigene Meinung verwirklicht sehen möchten.

Durch die Beschäftigung von freien Mitarbeitern werden große Summen an Sozialabgaben gespart. Allein bei autobild.de stehen zehn festangestellten Redakteuren zehn freie Mitarbeiter und vier Volontäre gegenüber. Leider schreiben nicht alle Springer-Publikationen solch detaillierte Angaben in ihr Impressum. Springer-Volontäre sind an der hauseigenen Journalistenschule angestellt und unterliegen schon deshalb keinem Tarifvertrag.

Dass man fast 600 Euro unter Tarif bezahlt, verrät Axel Springer den Neuanwärtern natürlich nicht
[Screenshot von autobild.de durch Robert Züblin]

Zusätzlich zur Ausbeutung von freien Mitarbeitern und Volontären haben sich Springer-Zeitungen wie Bild, Welt, BZ, Auto Bild und Computer Bild längst der Tarifbindung entzogen. Ob man bei diesen Marken über oder unter Tarif bezahlt, dazu hat sich Springer auf Anfrage nicht geäußert. Der Pressesprecher Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) berichtet, bei Bild und Welt würde man sich derzeit gehaltsmäßig an den allgemeinen Tarifverträgen anlehnen. Bei der Computer Bild würden die Redakteure jedoch unter „Dumpingkonditionen“ leiden.
Warum dieser Sparzwang? Der Springer-Konzern erwirtschaftet doch satte Gewinne. Selbst die totgeredeten Zeitungen des Springer-Konzerns Welt und Bild hätten im Jahr 2017 dank starker Werbeerlöse zum Konzern-Gewinn beigesteuert. Und trotzdem will Springer zusätzliche Einnahmen durch ein Leistungsschutzrecht generieren.

Nachdem man Freie Mitarbeiter, Volontäre und Computer-Bild-Redakteure – zur „Gewinnmaximierung“ wie es in einem offenen Brief der Computer-Bild-Belegschaft heißt – geschröpft hat, muss nun also Google herhalten, um die unerschöpfliche Gier der Springer-Aktionäre zu befriedigen. Allein Döpfner hält einen Anteil von 2,8 Prozent an Axel Springer und ist somit direkter Nutznießer der Sparpolitik durch den Einsatz von freien Mitarbeitern, Volontären und die erfolgte Tarifflucht. Im Jahr 2018 durften sich die Springer-Aktionäre über eine Dividenden-Ausschüttung von 216 Millionen Euro freuen, während „Freiberufler“ und viele Angestellte auf kleiner Flamme kochen müssen.

Wer schreibt hier eigentlich von wem ab?

Von der Verleger-Lobby hört man immer wieder, die Verlage würden ach so wertvolle Inhalte im Internet bereitstellen. Tatsächlich wissen Branchen-Insider, dass viele Redakteure oftmals gar keine Zeit mehr für Recherchen haben, die den Namen Qualitätsjournalismus verdienen. Stattdessen bedienen sich viele Journalisten nicht selten der Recherche-Ergebnisse anderer: insbesondere bei Bloggern, Wikipedia und den Online-Medien der Konkurrenz oder des eigenen Konzerns.

Viele der nicht-journalistischen Content-Lieferanten sind Experten auf ihrem Gebiet und schreiben nur nebenberuflich, da sie von ihren Beiträgen nicht leben können oder nicht leben wollen. Und nun will Springer & Co. etwas abschöpfen, was oftmals gar nicht selbst produziert wurde: außer vielleicht die markigen Worte, in die der legale Inhaltsklau gepackt wird. Vom Urheberrecht geschützt sind Formulierungen und der strukturelle Aufbau eines Textes; recherchierte Inhalte sind nicht geschützt.

Verkümmerung der Meinungsvielfalt

Würde das Leistungsschutzrecht tatsächlich eingeführt, hätte das eine enorme Rechtsunsicherheit zur Folge; das geben sogar die Verlags-Lobbyisten vom BDZV zu und meinen, Rechtsstreitigkeiten seien etwas ganz Normales nach einer Gesetzesnovelle. Es ist jetzt schon absehbar, dass viele Privatnutzer bei Einführung des Leistungsschutzrechtes Angst haben werden, auf Zeitungs- oder Blog-Artikel zu verlinken. Google wird die Einstellung von Google News überleben. Die Internetkultur wird jedoch einen bleibenden Schaden davontragen.

Man mag von Google halten, was man will: Die Tatsache, dass Google hohe Werbeeinnahmen hat, gibt keinem Unternehmer einen Anspruch, davon mitzuprofitieren. Und übrigens: Ein Axel-Springer-Konzern, der mit 20 Prozent an der europäischen Google-Version Qwant beteiligt ist, steckt beim Angriff auf die Konkurrenz in ernsthaften Interessenkonflikten.

Natürlich haben viele europäische Firmen einen Nachteil, weil sie keinen direkten Zugang zu den Datenströmen haben, die Google, Amazon, Facebook und andere auslesen können. Das legitimiert die deutschen und europäischen Konzerne aber nicht, sich die Rechtslage so zurecht zu schustern, dass die unliebsame Konkurrenz ausgeschaltet wird. Und im Fall des Leistungsschutzrechtes heißt die Konkurrenz noch nicht einmal in erster Linie Google oder Facebook, sondern sie hat Namen, die die breite Masse nicht kennt: es sind Blogs und unabhängige Nachrichtenportale, die eine fundamentale Rolle in der Nachrichtenaufbereitung spielen.

Abgesehen von der wettbewerbsrechtlichen Frage, ob junge Konkurrenten durch die Lobby-Aktionen der Alt-Verleger-Fraktion gezielt behindert werden, wird in jedem Fall die Meinungsvielfalt auf der Strecke bleiben, wenn das Springer-Gesetz Schule macht. Denn viele Journalisten brauchen Google News, um zeitnah auf die Artikel der erwähnten Experten-Websites aufmerksam zu werden.

In Spanien wurde Google News geschlossen, nachdem dort ein Leistungsschutzrecht eingeführt wurde. Anders als in Deutschland, wo es seit 2013 ebenfalls ein Leistungsschutzrecht gibt, dürfen in Spanien Snippets (Textschnipsel) nicht mehr kostenlos angezeigt werden (Artikel 32 Absatz 2 Ley de Propiedad Intelectual – Spanisches Urheberrechtsgesetz schützt auch „unbedeutende Bruchstücke“/ „fragmentos no significativos“, § 87 f Absatz 1 Deutsches Urheberrechtsgesetz erlaubt hingegen nach wie vor das kostenlose Anzeigen „kleinster Textausschnitte“).

Google begründete die Schließung seiner spanischen News-Seite konsequenterweise so: „Da Google News ein nicht auf Einnahmen basierender Service ist, ist dieser neue Ansatz einfach nicht tragfähig.“ Will heißen: Da Google mit seinem News-Service kein Geld verdient, ist es betriebswirtschaftlich nicht tragbar, den Verlagen Geld für das Anzeigen minimalster Artikelanrisse auszuschütten.

Das europäische Leistungsschutzrecht ist in den zentralen Punkten baugleich mit dem spanischen Gesetz. Es sieht also danach aus, dass Google News europaweit eingestellt wird, wenn die EU-Richtlinie in der derzeitigen Fassung in Kraft tritt. Denn Google wird sich nicht zur Zahlung verpflichten lassen.

Die Behauptung des BDZV, wonach keine generelle Zahlungspflicht geplant sei und daher keine Schließung von Google News zu befürchten sei, stimmt nicht. Trotzdem verbreitet der BDZV, dass „jeder Presseverlag […] zudem die Möglichkeit [hätte], die Verwertung ohne Entgelt zu erlauben […]“.

Ja, aber! In den Erwägungsgründen zum EU-Parlaments-Vorschlag steht: „Außerdem sollte die Aufnahme in eine Suchmaschine nicht als faire und verhältnismäßige Vergütung angesehen werden.“ Damit hat man den nationalen Parlamenten, die das europäische Urheberrecht umsetzen müssen, sowie Anwälten und Richtern in zukünftigen Rechtsstreitigkeiten ausreichend Munition geliefert, die „faire und verhältnismäßige Vergütung“, wie sie in Artikel 11 des Parlamentsentwurfes eingeräumt wird, als unverzichtbare Pflichtabgabe zu werten.

Unverzichtbar ist die Vergütung durch Google aller Voraussicht nach auch aus einem ganz anderen Grunde: Wer auf seine Vergütungsansprüche verzichtet, um dafür bei Google gelistet zu werden, könnte sich wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 des deutschen Strafgesetzbuches strafbar machen. Und dann wäre da noch das Finanzamt, das in der Regel bei Schenkungen von geldwerten Vorteilen die Hand aufhält. Es ist unwahrscheinlich, dass sich der Staat am Ende den Vorwurf gefallen lassen will, der eigentliche Nutznießer der Link-Steuer zu sein. Daher ist der aktuelle Parlaments-Entwurf des EU-Leistungsschutzrechtes als Marschrichtung zu betrachten und die geht eindeutig Richtung „unverzichtbare Pflichtabgabe an Google & Co.“.

Wenn Springer seine Google-Link-Abgabe durchboxt, wird das der Anfang vom Ende der offenen Gesellschaft sein. Zuerst stirbt Google News und dann die Nachrichtenportale und Blogger, deren Marken nicht stark genug sind, um ohne Google-Traffic zu überleben. Neue News-Portale werden kaum Chancen haben, sich zu etablieren. Die Familien-Clans der alten Bundesrepublik allen voran Springer, Burda, Bauer, Funke und Bertelsmann werden die Herrschaft über die öffentliche Meinung zurück erobern – deutsch-national natürlich.

Internet der geschlossenen Gesellschaften

Die Lobbyarbeit von Axel Springer zur Einführung des Leistungsschutzrechtes hat den Anschein einer Aufwärmübung. Denn längst wurden Strukturen geschaffen, die ein viel größeres Unheil befürchten lassen. Gemeinsam mit Partnern wie Daimler, Deutsche Bank und Telekom hat Springer eine Daten-Allianz mit dem Namen Verimi ins Leben gerufen.

Zunächst geht es nur um ein Single-Sign-On, wie man es etwa von Facebook kennt. Verimi-Nutzer sollen sich mit einem einzigen Passwort bei unterschiedlichen Partnerunternehmen anmelden können. Angeblich geht es den Gründern in erster Linie um den Datenschutz der Bürger gegenüber den Großkonzernen aus Übersee. Hatten die Verlage sich nicht gerade erst beschwert, dass die Datensammlungen von Google & Co. uneinholbar seien. Und jetzt will man dem Bürger seine Daten völlig uneigennützig schenken? Nein. Man möchte dem Bürger nur die Kontrolle über die Nutzung seiner Daten ermöglichen, heißt es. Als nächstes plant Verimi einen Zahlungsdienst. An den Gebühren kann man sicherlich gutes Geld verdienen.

Und danach? Wenn die Strukturen erstmal festgezurrt sind, werden wohl wieder die Lobbyisten in Aktion treten. Das Ziel könnte sein: Jede Website, die nicht dem Datenschutzstandard von Verimi oder der Konkurrenzplattform netID (ProSiebenSat.1, United Internet, RTL und Zalando) entspricht, müsse seine Aktivitäten auf dem europäischen Kontinent einstellen. Dann hieße es: Einkaufen nur noch bei Zalando, statt googeln sagt man dann qwanten, Paypal wird zu DeutschPay und aus WhatsApp wird HalloAxel. Ins Internet gelänge man nur noch per Login, entweder den Springer-Login, den United-Internet-Login oder denjenigen einer anderen Daten-Plattform. Jeder Schritt würde registriert. Und wer sich im Netz nicht konform mit den Plattform-Richtlinien verhält, flöge raus aus dem Internet; das gelte dann sowohl für die Endverbraucher als auch für die Anbieter auf den Login-Plattformen – unabhängiger Journalismus wäre so undenkbar.

Wurde Amazon-Gründer Jeff Bezos deswegen gerade erst von Springer mit einem Preis hofiert. Will man Amazon als Partner für die neue Daten-Plattform gewinnen. Zwei Jahre zuvor hatte der Springer-Konzern bereits Facebooks Zuckerberg mit einem Preis geschmeichelt. Verimi sagt dazu: „Amazon, Facebook, Netflix und Google sind keine Partner von Verimi und werden dies mit großer Wahrscheinlich auch nicht. Die genannten Unternehmen verdienen u.a. Geld mit der Vermarktung von Kundendaten für Werbezwecke. Verimi verkauft keine Nutzerdaten, denn wir wollen den Nutzern ihre Datenhoheit zurückzugeben.“

Dass sich die Verleger vor dem Hintergrund der neuen deutschen Plattform-Zukunft auch noch für Upload-Filter aussprechen, hat taktische Gründe; denn nötig sind Upload-Filter bei einer zu befürchtenden Internet-Login-Pflicht nicht mehr: Alle User würden bei einem ständigen Internet-Login gläsern; jeder Fehltritt könnte sofort der jeweiligen Person zugeordnet werden. Sogar die Ausweisdaten würden aller Voraussicht nach vorliegen. Denn Verimi möchte, dass die Nutzer ihre Pässe, Personalausweise, Aufenthaltstitel und Führerscheine auf der Plattform hinterlegen, um sich damit in der digitalen Welt auszuweisen.

Wer im europäischen Entscheidungsprozess etwas erreichen möchte, braucht Allianzen. Frankreich war gegen das Leistungsschutzrecht aber für Upload-Filter. Deutschland will das Leistungsschutzrecht, hält Upload-Filter jedoch für unverhältnismäßig. Egal, haben sich die Landesvertreter gedacht: Wenn Frankreich für den Leistungsschutz stimmt, dann stimmt Deutschland als Gegenleistung für die Upload-Filter. Letztere sind ein weiteres Übel, das vor allem eines bedeutet: Keine Überlebens-Chance für kleinere Plattformen, da die Filter-Technik extrem teuer sein wird. Außerdem gefährden Upload-Filter die Meinungs- und Kunstfreiheit, da die Ungenauigkeit der Programme zur Zensur von legalen Inhalten führen wird.

Innovation statt Blockade?

Springer-Chef Döpfner beschwert sich über die marktbeherrschende Stellung von Google. Zur Bekämpfung von Marktbeherrschung gibt es Regeln und an denen könnte man arbeiten, wenn das Regelwerk nicht ausreicht, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.

Dass aber ausgerechnet ein Konzern wie Axel Springer, der lieber durch Zukäufe wächst als durch Innovation, dass ausgerechnet ein Konzern, der viele seiner eigenen Mitarbeiter zur Maximierung von Aktionärsgewinnen aussaugt, dass ein solcher nicht-innovativer Ausbeuter-Konzern die digitale Entwicklung zu seinen Gunsten manipulieren möchte, das ist der eigentliche Skandal hinter der ganzen Lobbyaktivität eines Herrn Döpfner und seiner Mitstreiter.

 

Robert Züblin

Robert arbeitet als freier Journalist in Berlin und hat selbst zehn Monate lang auf Bild.de geschrieben. Dort hat er es geschafft, seine kritischen Artikel zum Gesichtserkennungs-Versuch in Berlin trotz des überwachungs-fanatischen Chefredakteurs Julian Reichelt auf Bild.de zu platzieren. Als Jurist sieht Robert die Welt auch durch die Paragrafen-Brille – nicht immer spannend aber manchmal hilfreich.