Wenige neutralisierende Antikörper bei vielen milden COVID-19-Fällen?

Labor einer Forschungsstelle für Komplexchemie.
Die Arbeit in einem Labor
[Foto: Wittig; Hans-Günter Quaschinsky, Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de]
Robert Züblin | 11.04.2020 | 23:59 Uhr

Im Rahmen einer Studie wurden bei circa 30 Prozent von COVID-19-Patienten mit häufigen Symptomen oder Erkrankungen mit milden Verläufen nur sehr geringe Mengen neutralisierender Antikörper gegen SARS-CoV-2 festgestellt.

Patienten mit milden Verläufen

Bei SARS-CoV-2 setzen viele ihre Hoffnung auf neutralisierende Antikörper, um das Virus erfolgreich abzuwehren und die Pandemie in den Griff zu bekommen. Denn virusspezifische neutralisierende Antikörper könnten die Virus-Infektion blockieren, wie es in einer aktuellen Studie von Forschern der Fudan University in Shanghai heißt, die auf der Medizin-Archiv-Website „medRxiv“ veröffentlicht wurde. Allerdings handelt es sich bei der Studie um einen sogenannten Vorabdruck, der noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat. Die angesprochenen neutralisierenden Antikörper könnten entweder infolge einer Impfung oder einer Infektion gebildet werden.

Die Forscher schreiben, dass die Menge von neutralisierenden Antikörpern der Goldstandard sei, um zu bewerten, wie wirksam ein Impfstoff gegen Pocken-, Polio- und Grippeviren sei. Auch bei der passiven Antikörpertherapie – etwa durch eine Blutplasmatransfusion – sei eine Verbindung zwischen der Konzentration der Antikörper und der Wirksamkeit der Therapie festgestellt worden.

Im Rahmen der SARS-CoV-2-Antikörper-Studie hätten die Wissenschaftler das Plasma von 175 COVID-19-Patienten untersucht, die gewöhnliche oder milde Symptome gehabt hätten und genesen waren. Niemand von diesen Patienten sei auf die Intensivstation gebracht worden.

Antikörper teilweise unter Nachweisgrenze

Die Forscher der Fudan University haben im Rahmen ihrer Studie festgestellt, dass etwa 30 Prozent der Patienten, deren Plasma untersucht worden sei, nur sehr niedrige Titer von SARS-CoV-2-spezifischen neutralisierenden Antikörpern entwickelt hätten. Die Dauer der Krankheit sei aber im Vergleich zu den anderen untersuchten COVID-19-Patienten von ähnlicher Länge gewesen. Bei zehn Patienten hätten die Titer sogar unterhalb der Nachweisgrenze der Studie gelegen. Dies könne bedeuten, dass der Grund für deren Genesung nicht auf die Bildung von Antikörpern zurückzuführen sei, sondern eine andere Immunreaktion erfolgt sei, etwa durch T-Zellen oder Zytokine.

Die Ergebnisse würden zeigen, dass sich ein Teil der COVID-19-Patienten auch ohne hohe Titer neutralisierender Antikörper erholen würden. Die Forscher haben auch einen Zusammenhang mit dem Alter festgestellt. Demnach sei die Wahrscheinlichkeit bei älteren Patienten und denjenigen im mittleren Alter größer gewesen, höhere Titer zu entwickeln, im Vergleich zu den jüngeren Patienten (15-39 Jahre).

Zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Forscher der Fudan University waren schon Wissenschaftler einer anderen Studie gekommen, die im März 2020 auf „medRxiv“ veröffentlicht worden war und auch in der Fachzeitschrift „Emerging Infectious Diseases“ publiziert wird. In dieser früheren Studie, an der auch der Virologe Prof. Dr. Christian Drosten beteiligt war, hieß es, man habe festgestellt, dass die Antikörperspiegel bei COVID-19-Patienten, die eine schwere Infektion gehabt hätten, höher gewesen seien als bei Patienten mit einer milden Infektion.

Die Wissenschaftler der Fudan University hätten auch herausgefunden, dass die Titer neutralisierender Antikörper 10 bis 15 Tage nach dem Ausbruch der Krankheit ihren Höhepunkt erreichen würden. Danach würden sie stabil bleiben.

COVID-19