Untersuchungsausschuss „Jens Spahn“! Wo sind die Masken, Herr Minister?

Der Plenarsaal des Bundestages (Parlament in Deutschland).
Der Bundestag
[Fotograf: Rolf Unterberg, Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de, Kolorierung: Robert Züblin]
Robert Züblin | 31.03.2020 | 10:10 Uhr
KOLUMNE

 
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich seit Beginn der Corona-Krise nur als Manager des Gesundheitssystems gezeigt – als Beschaffer für seine Krankenhäuser und Kassenärzte. Für diese versuchte und versucht er unter anderem Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel zu organisieren; mit mäßigem Erfolg.

Der Bürger wurde außen vor gelassen. Bürger sollen sich laut Spahn die Händewaschen und bloß die Finger von den Masken sowie den Desinfektionsmitteln lassen; denn diese Waren sollten seinem Gesundheitssystem vorbehalten bleiben. Mit diesem Ratschlag schützt der Bundesgesundheitsminister den Bürger nicht nur nicht, sondern gefährdet ihn sogar.

Die Zahlen bei den mit SARS-CoV-2 Infizierten und den Corona-Toten in Deutschland steigen und steigen. Ein Zusammenhang mit dem Missmanagement durch den Bundesgesundheitsminister in Sachen Schutzausrüstung drängt sich auf. Aber wo bleibt der Ruf nach einem Untersuchungsausschuss „Jens Spahn“?

Spahn entmutigt Bürger, sich zu schützen

Auf der Pressekonferenz mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder am 17. März 2020 hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gesagt:

„Privatpersonen brauchen für ihren Alltag weder Masken noch Desinfektionsmittel. Beides bitte lassen für den medizinischen Betrieb, da werden sie dringend gebraucht.“

Der Blogger Sascha Lobo hatte in der Talkshow bei Markus Lanz am 26. März 2020 bemerkt, dass Spahn die Beschaffung in den Vordergrund stellt, wenn er so kommuniziert:

„Ich war Anfang des Jahres in Singapur. Da war es vollkommen klar für die Menschen, dass sie sich selbst Masken besorgen. Aber das war jetzt nicht eine regierungsseitige Maßnahme, sondern das war eine eigene Einsicht in diese Notwendigkeit. Und die herrscht da schon viel länger vor, weil sie gelernt ist. Und diesen Lernprozess, den müssen wir hier kommunikativ anstoßen. Und dann schaue ich mir so die Kommunikation des Bundesgesundheitsministeriums an. Die machen zweifellos einen fantastischen Job in ganz vielen Bereichen, aber genau in dem Bereich Kommunikation sehe ich, dass sie lange Zeit gesagt haben, Masken brauchen eigentlich nur zwei verschiedene Teile der Bevölkerung, nämlich die direkt an der Front arbeiten, gewissermaßen. Und das ist natürlich aus meiner Sicht etwas kurzsichtig, weil man eigentlich das kommuniziert, weil man davon ausgeht, wir haben gar nicht genug Masken, wenn alle welche haben wollen würden. Und das, da greift die Kommunikation in die Beschaffung hinein und genau deswegen ist das so wahnsinnig komplex.“

Wenn in Deutschland den Bürgern, die an das Maskentragen gar nicht gewöhnt sind, vom Bundesgesundheitsminister explizit das Maskentragen ausgeredet wird, dann handelt Spahn hier nicht nur nicht im Sinne des Bürgers, sondern gefährdet die Gesundheit der Bürger sogar. Denn Spahns Abraten vom Maskentragen war und ist geeignet, den Bürgern den Mut zu nehmen, Masken selbst herzustellen oder die bereits angeschafften Masken konsequent in der Öffentlichkeit zu tragen, um sich vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu schützen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sollte sich besser früher als später mit diesem Fehlverhalten des Ministers befassen.

Im Übrigen bringt es auch Spahns Gesundheitssystem nichts, wenn immer mehr Infizierte in die Arztpraxen und Krankenhäuser strömen. Das verschärft das Problem mit der Schutzausrüstung im medizinischen Bereich nur, da bei höherem Patientenaufkommen mehr Schutzausrüstung verbraucht wird.

RKI ignoriert Corona-Ansteckungsverlauf

Auch das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt dem gesunden Bürger nicht, eine Maske zu tragen. Zur Sinnhaftigkeit des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) schreibt das RKI auf seiner Webseite (Stand 30. März 2020):

„Wenn sich eine an einer akuten respiratorischen Infektion erkrankte Person im öffentlichen Raum bewegen muss, kann das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) oder einer alternativen, ggf. textilen Barriere im Sinne eines MNS durch diese Person sinnvoll sein, um das Risiko einer Ansteckung anderer Personen durch die größtmögliche Zurückhaltung von Tröpfchen, welche beim Husten oder Niesen entstehen, zu verringern (Schutz der Mitmenschen).“

Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Das müsste auch das RKI und auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mittlerweile wissen, da der Regierungsberatervirologe Prof. Dr. Christian Drosten über das wochentägliche NDR-Interview am 24. März 2020 verkündet hatte, man könne davon ausgehen, dass 44 Prozent aller Ansteckungen von Infizierenden ausgingen, die gar keine Symptome hätten.

Da sollte auch dem RKI und dem BMG einleuchten, wie sinnvoll es wäre, dass diese Infizierenden ohne Symptome einen MNS in der Öffentlichkeit tragen.

Die Gesundheitsministerin des Landes Rheinland-Pfalz, Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), verteufelte in der Talkshow „Hart aber fair“ das Geschäft mit den Schutzmasken sogar als Ausnutzen der Angst der Bürger, was den Eindruck entstehen lässt, dass diese Masken gar nicht helfen. Auf die mögliche Schutzwirkung von Masken für alle Bürger angesprochen, teilte das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium mit, man denke gar nicht daran, dass alle Bürger Masken tragen sollten.

„Schutzmasken sind dann notwendig, wenn eine erkrankte Person sich im öffentlichen Raum bewegen muss. Damit können andere vor Ansteckungen geschützt werden. Damit folgen wir im Übrigen den Empfehlungen des RKI […]“, erklärt das Gesundheitsministerium des Landes Rheinland-Pfalz seinen Standpunkt gegenüber tal-mi-or.

Dass man sich so sklavisch an die Masken-Empfehlungen des RKI klammert, verwundert, da das Ministerium der Sabine Bätzing-Lichtenthäler über den Ansteckungsverlauf bei SARS-CoV-2 genauestens Bescheid weiß, wie auf Nachfrage von dort gegenüber tal-mi-or mitgeteilt wurde:

„Nach aktuellem Stand ist es möglich, selbst noch keine Symptome zu zeigen, aber bereits ansteckend zu sein. Das RKI schreibt hierzu: ‚Eine Übertragung durch eine infizierte Person kann auch schon bis zu zwei Tage vor Symptombeginn stattfinden, oder bei einem sehr milden Verlauf der Erkrankung.‘ Deshalb ist es wichtig, die empfohlenen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung einzuhalten, unabhängig davon, ob man sich gesund fühlt.“

Nicht-Regierungs-Akteure klären auf

Angesichts der katastrophalen Maskenkommunikation seitens des BMG, bestimmter Landesministerien und des RKI ist es nicht verwunderlich, dass mittlerweile sogar der Präsident der Bundesärztekammer (BAEK), Klaus Reinhardt, am 26. März 2020 die gesamte Bevölkerung – infiziert, nicht-infiziert, mit Corona-Symptomen und ohne Corona-Symptome – zum Maskentragen aufgerufen hat:

„Mein Rat: Besorgen Sie sich einfache Schutzmasken oder basteln Sie sich selber welche und tragen Sie diese im öffentlichen Raum. Diese Masken garantieren keinen Schutz vor Ansteckung. Aber sie können ein wenig helfen, das Risiko zu verringern, andere anzustecken oder selbst angesteckt zu werden.“

Es ist eine von vielen Stimmen, die sich mittlerweile an den staatlichen Empfehlungen vorbei aufsummieren. Der Hygiene-Arzt Prof. Dr. Klaus-Dieter Zastrow hatte bereits frühzeitig das Tragen von Masken empfohlen. Auch im Interview auf tal-mi-or hatte er am 15. März 2020 die Bedeutung des MNS zur Bekämpfung der Corona-Pandemie betont.

Am 18. März 2020 kam auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) vor dem Hintergrund der Maskenknappheit zu dem naheliegenden Schluss: „Jede Maske hat mehr Schutzwirkung für Träger und Gegenüber als keine Maske!“

Tschechien führte ab dem 19. März 2020 sogar eine Maskenpflicht ein, die Österreich zumindest für den Einkauf in Supermärkten nun übernommen hat. Auch in Slowenien gilt mittlerweile eine Maskenpflicht.

Masken nur „sinnvolle Ergänzung“?

Und wie sieht es aktuell in Deutschland aus? Der Pressesprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Hanno Kautz, hatte am 30. März 2020 auf der Bundespressekonferenz schon Probleme, überhaupt mit der Masken-Terminologie zurechtzukommen: „Zunächst einmal müssen Sie sehen, was die österreichische Regierung da anordnet. Dabei geht es nicht um medizinische Masken, wie sie Ärzte und Pflegekräfte benötigen, sondern es geht um einen Mund-Nase-Schutz. Und das ist halt was anderes. Wir haben wiederholt betont, dass es sinnvoll sein kann, andere davor zu schützen, sich anzustecken, dass man eine Maske trägt. Die Nutzung von solchen Masken kann man in Erwägung ziehen, wenn wir über Ausstiegsszenarien aus den ganzen Maßnahmen nachdenken. Die Industrie stellt sich schon darauf ein, Masken zu fertigen. Und das können wir auch nur begrüßen.“

Ein MNS soll keine „medizinische Maske“ sein? Man muss Kautz zugutehalten, dass sich der österreichische Kanzler Sebastian Kurz etwas verwirrend ausgedrückt hatte, als er in Bezug auf die in den Supermärkten zu tragenden Mund-Nasen-Schutz-Masken sagte: „Es handelt sich hier nicht um Schutzmasken, wie sie das medizinische Personal tragen muss, sondern es handelt sich um einen Mund-Nasen-Schutz, sogenannte MNS-Masken. Also ganz einfache Masken, die schlicht und ergreifend einen Zweck haben, nämlich Mund und Nase zu bedecken.“

Was Kurz scheinbar nicht weiß: Auch das medizinische Personal trägt in bestimmten Situationen einen Mund-Nasen-Schutz, Chirurgen zum Beispiel während einer Operation. Eine Schutzmaske, also eine sogenannte Atemschutzmaske (FFP-Maske), trägt das medizinische Personal in der Regel nur, wenn eine Aerosol-Bildung zu erwarten ist.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte auf selbiger Bundespressekonferenz ganz zaghaft: „Sicher kann man sagen, eine Maske vor dem Mund kann in gewisser Weise dazu beitragen, das Ansteckungsrisiko zu vermindern. Aber natürlich für denjenigen, der Ihnen gegenübersteht. Sie tragen die Maske, dann ist derjenige ein Stück sicherer, der Ihnen begegnet. Und das hängt dann auch noch sehr von dem verwendeten Stoff ab. Also es ist vielleicht eine sinnvolle Ergänzung zu den ohnehin geltenden Hygieneregeln. Und das muss man glaube ich betonen: Abstand, Händewaschen, Kontaktvermeidung. Das sind die wesentlichen Punkte.“

Traurig, dass man auf Regierungsebene noch immer den Ernst der Maskenlage nicht erkannt hat und so tut, als ob das Maskentragen nebensächlich sei. Länder wie Taiwan machen es vor: Das Tragen von Masken durch die breite Bevölkerung hält die Infektionszahlen niedrig, neben anderen Maßnahmen. Erschreckend aber ist, dass der BMG-Sprecher auf der Bundespressekonferenz vor dem Hintergrund der breitenwirksamen Maßnahme in Österreich mit seiner Äußerung suggeriert, das BMG habe der gesamten Bevölkerung in Deutschland immer schon das Tragen von Masken empfohlen, um Ansteckungen mit dem neuartigen Coronavirus zu verhindern. Das Gegenteil war bislang der Fall!

WHO sagt, warum man von Masken abrät

Gerne wird von offizieller Seite in Deutschland auch das ewige Mantra der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wiederholt, dass Masken den Träger in falscher Sicherheit wiegen könnten. So auch das saarländische Gesundheitsministerium, dass über eine Pressemitteilung vom 18. März 2020 mit Hilfe dieses Argumentes vom Maskentragen abgeraten hatte:

„Das saarländische Gesundheitsministerium und die BZgA raten von der Nutzung von sogenanntem Mund-Nasen-Schutz (MNS) und Partikelfiltrierenden Atemschutz (FFP) im Alltag ab. Die Reserven müssen dem medizinischen Fachpersonal in der Krise uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation führe das Tragen von Mundschutz und Atemmaske zu einem falschen Sicherheitsgefühl, das oftmals die Missachtung der elementaren Hygieneregeln zur Folge hat.“

Dabei scheute das saarländische Gesundheitsministerium auch vor Irreführung nicht zurück, um den Bürger als Konkurrent für das eigene Gesundheitssystem vom Maskenmarkt zu vertreiben. Die Pressemitteilung trägt zwar den Titel „Kein Mundschutz im Alltag“ und den Untertitel „Gesundheitsministerium und BZgA warnen vor falschem Sicherheitsgefühl“. Entgegen dem dadurch erzeugten Eindruck wurde diese Pressemitteilung aber nicht gemeinsam mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) herausgegeben, wie die BZgA gegenüber tal-mi-or auf Nachfrage mitteilte.

Auf der einschlägigen Webseite der BZgA heißt es zur Frage, ob „das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Allgemeinbevölkerung zum Schutz vor akuten Atemwegsinfektionen sinnvoll“ ist, unter anderem:

„Hingegen gibt es keine hinreichenden Belege dafür, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trägt, verringert. Nach Angaben der WHO kann das Tragen einer Maske in Situationen, in denen dies nicht empfohlen ist, ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen. Das kann dazu führen, dass zentrale Hygienemaßnahmen wie eine gute Händehygiene vernachlässigt werden.“

Es liegt damit sogar eine doppelte Irreführung seitens des saarländischen Gesundheitsministeriums vor, da auch die Aussage des Ministeriums, wonach die BZgA vor einem falschem Sicherheitsgefühl im Zusammenhang mit dem Maskentragen warne, nicht stimmt. Die BZgA gibt nur wieder, was die WHO diesbezüglich sagt. Im Grunde hat das BZgA sogar lediglich das abgeschrieben, was das RKI diesbezüglich auf seiner Website veröffentlicht hat:

„Hingegen gibt es keine hinreichende Evidenz dafür, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trägt, signifikant verringert. Nach Angaben der WHO kann das Tragen einer Maske in Situationen, in denen dies nicht empfohlen ist, ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen, durch das zentrale Hygienemaßnahmen wie eine gute Händehygiene vernachlässigt werden können.“

Zugute halten kann man dem saarländischen Gesundheitsministerium, dass es klar kommuniziert, warum es nicht möchte, dass der Bürger Masken trägt, wenn es in der Pressemitteilung schreibt: „Die Reserven müssen dem medizinischen Fachpersonal in der Krise uneingeschränkt zur Verfügung stehen.“

Auch die WHO kommuniziert klar und deutlich, warum sie vom Maskentragen abrät, solange man nicht krank sei oder eine kranke Person pflege:

„Tragen Sie nur dann eine Maske, wenn Sie an COVID-19-Symptomen (insbesondere Husten) erkrankt sind oder jemanden betreuen, der möglicherweise COVID-19 hat. Eine Einweg-Gesichtsmaske kann nur einmal verwendet werden. Wenn Sie nicht krank sind oder jemanden pflegen, der krank ist, verschwenden Sie eine Maske. Es gibt weltweit einen Mangel an Masken, weshalb die WHO die Menschen dazu auffordert, Masken mit Bedacht zu verwenden.“

Nur leider verkennt auch die WHO, dass Corona-Infizierte ohne Symptome – also eigentlich Gesunde – ebenfalls ansteckend sind, und dass diese Ansteckungen fast die Hälfte aller Virus-Übertragungen ausmachen.

Stigmatisierung von Gesunden

Durch die Empfehlungen von BMG, RKI und WHO sowie bestimmter Landesministerien und das Abschreiben der BZgA beim RKI kommt es aber neben der vertanen Chance, die Pandemie einzudämmen, noch zu einem weiteren Problem. Wenn es offiziell heißt, dass eine Maske bei Gesunden nichts bringe, kann beim Bürger leicht der Eindruck entstehen: Wer eine Maske trägt, kann nur ein Kranker sein. Damit nimmt man in Kauf, dass alle Maskenträger, selbst diejenigen, die noch nicht einmal infiziert sind, als Kranke stigmatisiert werden.

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, sieht die Zeit gekommen, um hier einen Paradigmenwechsel einzuläuten:

„Wir freuen uns über jeden, der einen Mund-Nasen-Schutz hat, wenn er diesen auch im Supermarkt trägt. Das schützt Mitkunden und Mitarbeiter zumindest vor Tröpfchen des Trägers. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in Deutschland, damit jemand, der hier einen Mundschutz trägt, nicht als Kranker stigmatisiert wird. In Taiwan ist das Maskentragen weit verbreitet. Die Zahl der Corona-Infizierten ist dort ganz gering, und dabei ist Taiwan sogar ohne Shutdown der Wirtschaft ausgekommen.“

Schweiz: Masken offiziell bezweifelt

Auch in der Schweiz steigt die Anzahl der Corona-Infizierten und der Corona-Toten unaufhaltsam an. Auch dort hält man von offizieller Seite wenig vom Maskentragen durch den Bürger. Der Leiter der Abteilung „Übertragbare Krankheiten“ beim Schweizer Bundesamt für Gesundheit, Daniel Koch, hält Distanzhalten für den besseren Schutz und bezweifelt, dass das Maskentragen in China einen Einfluss auf die Ausbreitung des Coronavirus gehabt hat. Eine kritische Frage eines Reportes des Schweizer Fernsehens „SRF“ in Bezug auf die offizielle Maskenempfehlung in der Schweiz beantwortet Koch nur indirekt.

Der Reporter konfrontierte den Behördenvertreter mit einem Verdacht: „Sie haben mehrmals gesagt, dass die Hygienemasken in den Spitälern zum Beispiel knapp werden. Dass da ganz ein großer Verbrauch ist. Da liegt natürlich ein gewisser Verdacht nahe, dass Sie deshalb so zurückhaltend sind, mit der Empfehlung, Masken zu tragen, damit man nicht noch mehr Masken verbraucht.“

Darauf antwortete Koch: „Das haben wir am Anfang ganz klar gesagt: Masken müssen für die reserviert werden, die sie wirklich brauchen. Im Moment hat es wieder Masken in der Schweiz, also der Bund hat wieder genügend Masken. Aber der Verbrauch ist natürlich im professionellen Bereich sehr hoch. Sie müssen sich nur vorstellen, also alle Leute, die ältere Leute pflegen – die ganze Spitex, die ganzen Pflegeheime, alle die Spitäler, in den Arztpraxen – die sollen jetzt Masken tragen, wenn sie mit Risikopatienten zusammenarbeiten. Und das ist natürlich ein Verbrauch, den wir sonst in der Schweiz nicht haben.“

Kostbare Vorbereitungszeit verschenkt

In Deutschland wurde nicht nur die COVID-19-Erkrankung lange Zeit von offizieller Seite verharmlost. Auch hätte man seit Januar 2020 massiv Masken in Deutschland für die Bürger nähen lassen können, um das Risiko weiterer Ansteckungen zu senken. Stattdessen hat sich die Politik für den Shutdown der Wirtschaft entschieden, um insbesondere die Tröpfcheninfektionen zwischen den Bürgern durch Abstandhalten zu verhindern.

Das Tun und das Unterlassen der Exekutive muss aber verhältnismäßig sein. Es stellt sich daher die Frage, ob es nicht verhältnismäßiger gewesen wäre, in Deutschland eine Maskenpflicht einzuführen, anstatt unter anderem zahllose Betriebe durch deren Schließung in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben. Es könnte sich in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, was Spahn & Co. von Januar bis März 2020 unternommen haben, um die Maskenknappheit in Deutschland in den Griff zu bekommen.

Am 18. März 2020 ließ der BMG-Sprecher Kautz auf der Bundespressekonferenz verstehen, dass man sich bei der Produktion von Schutzausrüstung auf den Markt verlasse, weil die Nachfrage danach so hoch sei. Ob das zur Rechtfertigung ausreicht?

Fahrlässige Tötung, weil Masken fehlen?

Aber das Maskenproblem in Deutschland könnte auch eine strafrechtliche Komponente haben. Prof. Dr. Ansgar Lohse, Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), hatte am 29. März 2020 gegenüber der Bild-Zeitung gesagt:

„Wir haben immer noch zu wenige Maßnahmen für die Altenheime und die ambulante Pflege. Jede Pflegekraft muss eine Schutzmaske tragen.“

Am 30. März 2020 wurde bekannt, dass ein Anwalt die Wolfsburger Diakonie, die das Pflegeheim Hanns-Lilje-Heim betreibt, in dem 17 mit Corona infizierte Bewohner gestorben sind, wegen fahrlässiger Tötung angezeigt hat. Die Vorwürfe sollen laut Staatsanwaltschaft eher pauschaler Natur sein und sich gegen die „Wolfsburger Diakonie allgemein“ richten, wie die Bild-Zeitung berichtet. Die Diakonie Wolfsburg hat auf die Frage von tal-mi-or, was man ihr genau vorwirft, bislang nicht reagiert.

Bei der Aufarbeitung der Corona-Todesfälle im Hanns-Lilje-Heim, aber auch ähnlicher Fälle in anderen Pflegeeinrichtungen, könnte es unter anderem um die Frage gehen, ob und seit wann in dem jeweiligen Pflegeheim Masken getragen wurden und von wem: Pflegekräften, Besuchern und Heimbewohnern? Auch auf diese Fragen durch tal-mi-or hat die Diakonie Wolfsburg bislang nicht geantwortet.

Es ist fraglich, ob sich Pflegeheime, in denen nicht seit Beginn des Coronavirus-Ausbruches in Deutschland Masken getragen wurden, damit rechtfertigen können, dass Herr Spahn, die WHO, das RKI und einige Landesministerien empfohlen hätten, dass – mit Ausnahme der Pflege von einem Corona-Kranken – Masken von gesunden Bürgern nicht getragen werden müssten. Denn es hätte jedem Hygiene-Verantwortlichen einleuchten müssen, dass diese Aussage angesichts der Ansteckungsverläufe von Infektionskrankheiten nicht standhält, wonach es gar nichts Ungewöhnliches ist, dass eine Ansteckung auch ohne Symptome möglich ist, also auch von infizierten Gesunden ausgehen kann. Erst seit dem 23. März 2020 hat das RKI das generelle Tragen eines MNS durch das medizinische Personal bei der „Versorgung vulnerabler Patientengruppen“ im Rahmen der stationären und ambulanten Altenpflege für „angezeigt“ befunden. Zuvor war nur von der Verwendung von Schutzausrüstung die Rede, bei der Pflege von Erkrankten mit Fieber oder Atemwegserkrankungen.

Selbst das Berliner Universitätsklinikum Charité hat erst sehr spät begriffen, wie wichtig das permanente Tragen von Masken im Krankenhaus angesichts der Corona-Pandemie ist. Prof. Dr. med. Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité, hatte am 26. März 2020 in der rbb-Abendschau Folgendes gesagt:


“Wir haben auch in der Charité eine ansteigende Zahl von infiziertem Personal und noch keine italienischen oder spanischen Verhältnisse, aber man ist beunruhigt deswegen und man versucht auch innerhalb des Krankenhauses die Entstehungsgeschichten zu verfolgen, um da besser eingreifen zu können. Wir versuchen von jetzt an, das Personal durch permanentes Tragen von Mundschutz sozusagen vor sich selbst zu schützen, und damit diese Erkrankungsraten zu vermindern.“


Dabei wurde bereits Anfang März 2020 eine Studie in der Fachzeitschrift „Infection Control and Hospital Epidemiology“ veröffentlicht, in der beschrieben wird, dass die öffentlichen Krankenhäuser in Hongkong unter anderem wegen der Bereitstellung von MNS-Masken für die Krankenhaus-Mitarbeiter, die Patienten und die Besucher eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus innerhalb der Krankenhäuser verhindern konnten. Die Studie betrachtete dabei die ersten 42 Tage seit dem 31. Dezember 2019.

Risikoanalyse 2012 hat es kommen sehen

Dass es nun in Deutschland an Schutzausrüstung mangelt, ist vor allem deswegen verwunderlich, weil es in einer unter Federführung des Robert Koch-Instituts und weiterer Bundesbehörden durchgeführten Risikoanalyse aus dem Jahr 2012, in der ein SARS-Virus-Ausbruch modelliert wurde, hieß:

„Zur Behandlung stehen keine Medikamente zur Verfügung, so dass nur symptomatisch behandelt werden kann. Ein Impfstoff steht ebenfalls für die ersten drei Jahre nicht zur Verfügung. Neben Einhaltung von Hygienemaßnahmen können Schutzmaßnahmen in dem Sinne also ausschließlich durch Absonderung Erkrankter bzw. Ansteckungsverdächtiger, sowie den Einsatz von Schutzausrüstung wie Schutzmasken, Schutzbrillen und Handschuhen getroffen werden. Absonderung, Isolierung und Quarantäne sind aber nur von begrenzter Wirksamkeit, da schon bei Beginn der Symptomatik eine sehr ausgeprägte Infektiosität besteht […].“

Da das SARS-CoV-2 sogar bei fast der Hälfte der Ansteckungen vor jeder Symptomatik übertragen wird, befinden wir uns in einer noch schlechteren Lage, als in der Risikoanalyse im Jahr 2012 durchgespielt. Der einzig wahre Schutz bleibt aber gleich: Schutzmasken, Schutzbrillen und Handschuhe.

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