Schützt Nikotin vor Corona-Infektion?

Helmut Schmidt beim Rauchen einer Zigarette.
Zigaretten enthalten unter anderem Nikotin
[Fotograf: Ludwig Wegmann, Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de]

Robert Züblin | 24.04.2020 | 21:42 Uhr

Forscher haben untersucht, wie viele Raucher unter Corona-Erkrankten sind, und vermuten, dass die Wahrscheinlichkeit, eine symptomatische oder schwere SARS-CoV-2-Infektion zu entwickeln, viel geringer sei, wenn man täglich rauchen würde – vermutlich wegen des aufgenommenen Nikotins.

Weniger Raucher unter COVID-19-Patienten

Schon früh hatten Forscher die Vermutung geäußert, dass Raucher wegen einer höheren ACE2-Genexpression anfälliger für eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus sein könnten.

Eine neue Studie, die auf der Open-Peer-Review-Plattform „Qeios“ veröffentlicht wurde, wirft nun ein neues Licht auf die Frage, wie anfällig Personen für eine SARS-CoV-2-Infektion sind, wenn diese täglich rauchen.

Die Forscher hätten untersucht, wie hoch der Anteil der täglichen Raucher bei COVID-19-Patienten in einer französischen Universitätsklinik gewesen sei. Man habe zwischen zwei Gruppen unterschieden; den ambulant behandelten und den stationär behandelten Patienten. In der stationären Gruppe hätten nur 4,4 Prozent täglich geraucht. In der ambulanten Gruppe hätte es 5,3 Prozent tägliche Raucher gegeben. Verglichen mit der Raucherquote in der französischen Bevölkerung, die von den Forschern mit 25,4 Prozent angegeben wird, ist die Raucherquote bei den im Rahmen der Studie berücksichtigten COVID-19-Patienten also sehr niedrig.

Die Forscher schließen aus ihrer Beobachtung, dass bei Personen, die täglich rauchen würden, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung die Wahrscheinlichkeit viel geringer sei, eine symptomatische oder schwere SARS-CoV-2-Infektion zu erleiden.

Nikotin gegen Coronavirus?

Die Forscher schreiben, dass sie aus ihrer Studie nicht schlussfolgern könnten, ob gegenwärtiges tägliches Rauchen einen Einfluss auf die Schwere des Verlaufes von COVID-19 habe.

Außerdem heißt es in der Studie, dass man nicht genau sagen könne, welche der vielen Inhaltsstoffe im Tabak dazu führe, dass es zu der vermuteten schützenden Wirkung des Rauchens im Zusammenhang mit COVID-19 komme. Man mutmaße aber, dass Nikotin die entscheidende Substanz sei.

Die Wissenschaftler schreiben, es sei bekannt, dass SARS-CoV-2 das Enzym ACE2 (angiotensin-converting enzyme 2) als Rezeptor für den Eintritt in die Zelle nutze. Außerdem gebe es Hinweise, dass Nikotin die ACE2-Expression verändern könne. Dies wiederum könne den sogenannten nikotinischen Acetylcholinrezeptor verändern. Die Hypothese der Forscher laute: SARS-CoV-2 könne die Kontrolle des Nikotinrezeptors durch Acetylcholin verändern.

Schwere Verläufe bei Rauchern

Die vermuteten Wirkungen des Nikotins könnten laut der Forscher auch erklären, warum in anderen Studien ein Zusammenhang zwischen dem Rauchen und der Schwere von COVID-19-Verläufen festgestellt worden sei. Denn beim Krankenhausaufenthalt würde den Patienten in der Regel verboten werden zu rauchen, was zu Nikotinentzug führe. Dies wiederum könne zur Freisetzung von bei Rauchern vermehrt vorkommenden Nikotinrezeptoren führen. Die Folge könnte ein „Rebound-Effekt“ sein, welcher die Verschlimmerung des Krankheitsverlaufes bei hospitalisierten Rauchern erklären könnte.

Die Studie sollte niemanden verleiten, mit dem Rauchen anzufangen, da der Tabakkonsum einen erheblichen Schaden an der Gesundheit anrichten kann.

„Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Jährlich sterben in Deutschland über 120.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums“, schreibt etwa das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Website.

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