Radioaktive Strahlung: Ruthenium-106-Wolke kam wohl aus Russland

Luftaufnahme des Atomkraftwerkes Biblis
Atomkraftwerk
[Fotograf: Engelbert Reineke, Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de]

 

Robert Züblin – 28.07.2019, 22:04 Uhr

Forscher behaupten in einer neuen Studie, dass die im Jahr 2017 über Europa entdeckte Ruthenium-106-Wolke mit radioaktiver Strahlung ihren Ursprung wahrscheinlich in Russland hatte.

Radioaktiver Unfall?

Im Oktober 2017 wurden in Europa winzige Mengen des radioaktiven Isotops Ruthenium-106 gemessen. Bis jetzt war unklar, woher genau die radioaktive Verunreinigung kam. Schädlich soll die Ruthenium-106-Wolke nicht gewesen sein, weder für den Menschen noch die Umwelt.

In einer Studie, die in der Fachzeitschrift “Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America” (PNAS) veröffentlicht wurde, kommen Wissenschaftler nun zum dem Schluss, dass die Luftmassen mit der radioaktiven Strahlung wahrscheinlich durch eine Produktionsstörung in einer nuklearen Wiederaufbereitungsanlage im Südural entstanden sind.

Vermutlich, so heißt es in der Studie, entstamme das Ruthenium-106 aus dem Nuklearkomplex Majak, der sich im Südural in Russland befindet. Der Betreiber dieser nuklearen Wiederaufbereitungsanlage, das „Föderative staatliche Einheitsunternehmen Produktionsgenossenschaft Majak“, habe im Jahr 2017 abgestritten, dass das Unternehmen die Quelle des Ruthenium-106 sei.

Eine Freisetzung des Materials beim Absturz eines Satelliten beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, durch Verbrennen einer Radionuklidbatterie, die auf Basis von Ruthenium-106 betrieben worden sei, schließen die Wissenschaftler der neuen Studie jedenfalls aus. Ferner wird eine Freisetzung auf rumänischem Gebiet trotz hoher Aktivitäts-Konzentrationen ausgeschlossen.

Stornierung einer Cerium-144-Bestellung

Im Rahmen der Studie wurden 1300 Messungen in Europa und Asien ausgewertet, um die Quelle der Ruthenium-106-Wolke zu finden. Es sei die Art und Weise, wie sich die kontaminierte Luft ausgebreitet habe und chemische Überlegungen, die die Wissenschaftler zu der Annahme verleiten, die Freisetzung des Ruthenium-106 sei wahrscheinlich im Südural erfolgt.

Das Alter des gemessenen Ruthenium-106 wird auf circa zwei Jahre geschätzt. „Es zeigte stark lösliche und weniger lösliche Fraktionen in wässrigen Medien, eine hohe Strahlungsreinheit (Fehlen von begleitenden Radionukliden) und eine Flüchtigkeit zwischen 700 und 1000 °C, was auf eine Freisetzung in einem fortgeschrittenen Stadium bei der Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen hindeutet“, heißt es in der Studie.

Im Rahmen der radioaktiven Wolke über Europa sei auch spekuliert worden, dass diese im Zusammenhang mit der Stornierung einer Bestellung des Isotops Cerium-144 gestanden habe. Die Produktionsgenossenschaft Majak habe das Cerium-144 für ein Neutrino-Experiment in Italien herstellen sollen, die Bestellung aber kurz nach dem Aufziehen der Ruthenium-106-Wolke im Jahr 2017 storniert.

Die Wissenschaftler der aktuellen Studie hätten bei ihrer Untersuchung nichts gefunden, das die Hypothese widerlegt habe, es bestünde ein Zusammenhang mit der Freisetzung des Ruthenium-106 und der Stornierung der Cerium-144-Bestellung.

Umweltverschmutzung