Massenüberwachung als Schutz vor der technologischen Vernichtung?

Regieraum mit drei Personen und vielen Bildschirmen
Regieraum im Jahr 1975
[Foto: Waltraud Raphael (verehel. Grubitzsch), Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de]

 

Robert Züblin – 19.04.2019, 23:59 Uhr

Der Philosoph Nick Bostrom hat auf der Technologie-Konferenz TED2019 seine Warnung vor einer die Menschheit zerstörenden Technologie erneuert und als eine mögliche Lösung Massenüberwachung zur Diskussion gestellt.

Massenvernichtung durch neue Technik

Nick Bostrom ist bekannt für seine provokanten Theorien. Er verbreitet unter anderem die These, dass die meisten Menschen Simulationen seien und damit keine realen Personen.

In einem Arbeitspapier aus dem Jahr 2018 vertritt er die Hypothese der verletzlichen Welt, auf die er nun auf der TED2019 näher eingegangen ist. Bostrom warnt davor, dass mit der zunehmenden Technisierung auch die Wahrscheinlichkeit steige, dass unter den Innovationen eine Technik ist, die die Welt zerstören kann.

Unter anderem bestünde die Gefahr, dass eine zerstörerische Technik die gesamte Zivilisation auslösche, wenn sie in falsche Hände gerate.

Lösungsmöglichkeiten

Um zu verhindern, dass Bösewichte durch technische Innovationen zur Vernichtung der Menschheit befähigt werden, zeigt Bostrom vier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten auf:

  • Man könnte die technische Entwicklung beschränken, allerdings sei dies nicht wirklich umsetzbar.
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  • Ebensowenig aussichtsreich sei die Ausschaltung von bösen Akteuren.
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  • Für Bostrom denkbar wäre hingegen die Massenüberwachung. Diese sei zwar unangenehm, man könne sie aber auch schmackhaft machen, wenn man sie richtig anwenden würde, soll Bostrom gesagt haben.
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  • Und schließlich sieht er eine globale Regierung als Lösung. Eine solche sei zwar riskant, aber mit ein bisschen Glück könnte die Menschheit auf diese Weise überleben.

High-Tech-Panoptikum

Für die Massenüberwachung stellt sich Bostrom in seinem Aufsatz aus dem Jahr 2018 einen sogenannten „Freiheits-Anhänger“ vor. An diesem befänden sich Kameras, die in mehrere Richtungen schauen sowie Mikrofone.

Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz würden die Bewegungen des Trägers überwacht, Objekte in der Nähe analysiert und nach weiteren verdächtigen Hinweisen gesucht. Sollte sich der Träger auffällig verhalten, würde sofort eine Meldung an den Freiheitsbeauftragten in der Überwachungsstation gesendet, der sich das Material näher anschaue und eventuell Drohnen oder Inspektoren zum Verdächtigen schicke. Im Übrigen dürfe man den „Freiheits-Anhänger“ nicht abnehmen.

Legitimierung der Massenüberwachung

Bostrom ist sich durchaus bewusst, dass eine totale Massenüberwachung große Gefahren birgt. Despoten könnten sie für ihre Zwecke missbrauchen, oder intolerante Mehrheiten könnten Individuen mit vom Mainstream abweichenden Lebensentwürfen hindern, in der Anonymität ihr Leben zu leben. Außerdem könnte die permanente Überwachung dazu führen, dass Menschen sich nur noch politisch korrekt und der Konvention entsprechend verhalten.

Die Gefahr an dem Denkmodell von Bostrom ist, dass er Massenüberwachung als eine der letzten Chancen für das Überleben der Menschheit legitimiert. Wenn er zusätzlich ins Feld führt, dass die Vorteile von mehr Überwachung weniger Straftaten bedeuten würde und mehr Vertrauen unter den Bürgern schaffe, fehlen genaue Ausführungen, wie groß hier die Probleme tatsächlich sind. Auch ist fraglich, ob solche monokausalen Aussagen über gesellschaftliche Veränderungspotentiale überhaupt haltbar sind. Im Übrigen ist jedes System für Manipulationen anfällig und derjenige, der die Massenüberwachung steuert, könnte am Ende der größte Verbrecher sein.

Staatliche Massenüberwachung