Robert Züblin – 24.06.2019, 14:15 Uhr |
Wie erklärt sich der weltweite Hype um das Foto zweier Hundeschlitten, die durch eine große Pfütze auf dem Eis vor Grönland gezogen werden? Sieht so der Klimawandel aus?
Massenweise haben die Medien das Foto aufgegriffen, und auf Twitter wurde der Ausgangspost tausendfach retweetet, obwohl der Urheber der Aufnahme selbst sagt, man dürfe sie auch nicht überbewerten.
Symbol für den Klimawandel?
Fest steht, dass das Foto eine Szene zeigt, die sich am selben Tag abgespielt hat, an dem auf Grönland zwei Milliarden Tonnen Eis geschmolzen sind. Aufgenommen wurde das Bild von Steffen M. Olsen. Er ist Klimaforscher am Dänischen Meteorologischen Institut und sagt über sein Foto:
„Es ist kein unbekanntes Phänomen – Schmelztümpel und Wasser auf Eis, aber wir waren jenseits der Tümpel. Sowohl ich als auch die örtlichen Jäger waren nicht für das Ausmaß der Oberflächenschmelze und die riesigen Mengen an Wasser vorbereitet. Ich habe keine wissenschaftliche Klimaaufzeichnung, um eine detailliertere Antwort zu geben. Gleichwohl wurde dieses Foto an einem Tag aufgenommen, an dem ganz Grönland Rekord-Schmelzen und hohe Temperaturen erlebte, einschließlich des Eisschildes. Deshalb finde ich es berechtigt, das Foto im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu verwenden, aber es sollte nicht überinterpretiert werden.“
Als Beweisfoto für den Klimawandel kann die Aufnahme mangels Datengrundlage also nicht herhalten. Damit verliert es auch seine Symbolkraft für den Klimawandel an sich.
Symbolfotos für den Klimawandel gibt es aber ohnehin schon genug. Zuletzt wurden massenweise Aufnahmen eines Eisbären verbreitet, der durch eine sibirische Stadt streifte und vermutlich wegen des Klimawandels in der Zivilisation nach Nahrung suchte. Die Jagd nach seiner eigentlichen Leibspeise, Robben, sei wegen der zunehmenden Eisschmelze in der Arktis schwerer geworden, wie es bei einem ähnlichen Ereignis Anfang 2019 mit circa 50 Eisbären auf der arktischen Doppelinsel Nowaja Semlja zur Erklärung hieß.
Klimawandel: Es ist fünf vor zwölf
Hinter dem Hundeschlitten-Foto steckt also eine andere Botschaft als der schlichte Hinweis auf den Klimawandel. Das Foto ist ein Symbol dafür, dass es fünf vor zwölf ist, also noch nicht zu spät, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Die Schlittenpartie wird zwar von einem Wandel des örtlichen Klimas überrascht und muss, statt über eine schneebedeckte Eisdecke gleiten zu können, durch Schmelzwasser waten. Dennoch trägt das Eis, und die Gruppe gelangt sicher an Land.
Das Foto kommt zu einer Zeit, in der Klima-Experten gerade erst gewarnt haben, dass die Zivilisation ohne drastische Maßnahmen 2050 enden könnte. Eine andere aktuelle Nachricht, die wie eine weitere Warnung daher kommt: Der Permafrostboden schmilzt bereits jetzt so stark, wie es erst bis zum Jahr 2090 erwartet worden war.
Der Handlungsdruck wächst also nicht nur, weil bislang zu wenig gegen den Klimawandel unternommen wurde, sondern auch, weil sich die Prognosen in Bezug auf die Folgen des Klimawandels als zu großzügig erweisen könnten und im Falle des Permafrostbodens bereits als zu weit in die Zukunft gegriffen erwiesen haben.
Das „verstörende Foto“ mit der „Megapfütze“ (Bild.de) auf Eis und den „Schlittenhunden, die über Wasser laufen“ (Tagesschau), symbolisiert die Handlungsaufforderung, etwas gegen die drohende Klimakatastrophe zu unternehmen. Es ist als letzter Aufruf zu verstehen. Zwar transportiert das Foto die Botschaft, dass es noch nicht zu spät ist. Zum Verweilen lädt das Foto allerdings nicht ein – bei schmelzendem Eis schwingt immer auch die Gefahr mit einzubrechen.