Forscher warnten im März 2019 vor SARS-ähnlichem Coronavirus-Ausbruch

Ein Arzt untersucht eine Biopsie mit einem Mikroskop.
Untersuchung mit einem Mikroskop
[Fotograf: Vera Stark (geb. Katscherowski), Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de, Kolorierung: Robert Züblin]
Robert Züblin | 20.02.2020 | 23:22 Uhr

In einer Fachzeitschrift schrieben Wissenschaftler bereits im März 2019, sie hielten es für „sehr wahrscheinlich“, dass künftige SARS- oder MERS-ähnliche Coronavirus-Ausbrüche ihren Ursprung bei Fledermäusen haben werden und dass es eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Stattfinden dieser Ausbrüche in China gebe.

Frühwarnsignale sollten erkannt werden

Die Studie zu einem wahrscheinlichen Coronavirus-Ausbruch in China, die sich wie eine Prophezeiung liest, wurde in der FachzeitschriftViruses“ im März 2019 unter dem Namen „Bat Coronaviruses in China“ (auf Deutsch: „Fledermaus-Coronaviren in China“) veröffentlicht.

Die Gründe für die Einschätzung der Studienautoren, warum es wahrscheinlich sei, dass es erneut zu einem Coronavirus-Ausbruch in China kommen werde, der seinen Ursprung bei Fledermäusen haben werde, klingen banal. Zum einen, so argumentieren die Forscher, seien innerhalb zweier Jahrzehnte drei Coronaviren für großflächige Krankheitsausbrüche verantwortlich gewesen, die alle ihren Ursprung bei Fledermäusen hätten:

  • 2003: SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome)
  • 2012: MERS (Middle East Respiratory Syndrome)
  • 2017: SADS (Swine Acute Diarrhoea Syndrome)

Zum anderen hätten SARS und SADS ihren Ursprung in China gehabt, wobei es sich bei SADS um eine Virusinfektion handelte, die bei Hausschweinen aufgetreten ist.

Die Wissenschaftler hatten im März 2019 dringend empfohlen, Fledermaus-Coronaviren zu untersuchen, um Frühwarnsignale zu identifizieren; zur Minimierung der Auswirkungen künftiger Coronavirus-Ausbrüche in China.

Beim neuartigen Coronavirus, das anfangs 2019-nCoV genannt wurde und nun SARS-CoV-2 heißt, hat eine Untersuchung der Gensequenzen eine 96-prozentige Übereinstimmung mit einem bei Fledermäusen gefundenen Coronavirus gezeigt. Eine andere Untersuchung hat eine 89,1-prozentige Übereinstimmung mit Coronaviren ergeben, die bei Fledermäusen gefunden wurden.

Warner wurden von Behörde bekämpft

Nicht banal ist die Botschaft, die hinter dem Artikel vom 2. März 2019 steckt: auf Frühwarnsignale achten. Aber genau das ist in China nicht geschehen, wie sich am Umgang des Staates mit der Warnung durch den Arzt Li Wenliang erkennen lässt, der mittlerweile selbst an COVID-19 verstorben ist.

Li habe am 30. Dezember 2019 in einer WeChat-Gruppe seine Kollegen gewarnt, dass bei sieben Patienten eine Infektion mit dem SARS-Virus diagnostiziert worden sei, wie die BBC berichtet. Li habe mit der Warnung erreichen wollen, dass seine Kollegen Schutzkleidung tragen, um sich im Rahmen des vermuteten neuerlichen SARS-Ausbruches nicht anzustecken.

Wenige Tage später habe Li gegenüber der Behörde für öffentliche Sicherheit einen Brief unterschrieben, in dem er bestätigt habe, die Warnung der Behörde verstanden zu haben, dass er vor Gericht gestellt werde, wenn er „diese illegale Tätigkeit“ fortsetze. Gemeint waren die angeblichen „falschen Behauptungen“ von Li.

Laut BBC sei Li einer von acht Personen gewesen, gegen die die Polizei wegen der Verbreitung von Gerüchten ermittelt habe.

Wiederinfektion bei SARS-CoV-2 möglich?

Es muss befürchtet werden, dass wichtige Informationen in Bezug auf das neuartige Coronavirus wegen der Repressions-Politik in China nicht oder viel zu langsam an die Öffentlichkeit gelangen.

Am 14. Februar 2020 war in der Zeitung „Taiwan News“ ein Artikel erschienen, in dem ein Arzt aus Wuhan, der anonym bleiben wollte, über Umwege eine besorgniserregende Nachricht in Bezug auf das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 öffentlich gemacht hat.

„Es ist sehr gut möglich, sich ein zweites Mal zu infizieren. Einige Menschen erholten sich vom ersten Mal durch ihr eigenes Immunsystem, aber die Medikamente, die sie verwenden, schädigen ihr Herzgewebe, und wenn sie es beim zweiten Mal bekommen, hilft der Antikörper nicht, sondern macht es nur noch schlimmer, und sie sterben einen plötzlichen Tod durch Herzversagen“, heißt es in der Nachricht, die der Arzt Angehörigen in Großbritannien mitgeteilt habe, die diese an die Zeitung weitergeleitet hätten.

Außerdem habe sich der Arzt aus Wuhan laut „Taiwan News“ zur Fehleranfälligkeit des verwendeten Tests zum Nachweis des neuartigen Coronavirus geäußert: „Es kann das Testkit täuschen – es gab Fälle, bei denen der CT-Scan zeigt, dass beide Lungen vollständig infiziert sind, aber der Test kam viermal negativ zurück. Der fünfte Test kam positiv zurück.“

Der Spezialist für Infektiologie Prof. Dr. Clemens Wendtner, der neun mit dem neuartigen Coronavirus infizierte Patienten in Deutschland behandelt hat, erklärt gegenüber tal-mi-or, dass die von ihm betreuten und untersuchten COVID-19-Patienten „alle eine Immunität im Sinne von neutralisierenden Antikörpern gegenüber SARS-CoV-2 entwickelten. Hier sind wir zuversichtlich, dass wir durch Bestimmung der Antikörper-Signatur im Rahmen der Rekonvaleszenz auch die Basis für eine Impfstoffentwicklung schaffen werden. Eine Reinfektion durch denselben SARS-CoV-2 Klon nehmen wir daher bei unseren Patienten nicht an.“

Es stellt sich also die Frage, ob das von dem Arzt in Wuhan beschriebene Szenario der Wiederinfektion daher resultiert, dass es sich bei der zweiten Infektion um einen mutierten SARS-CoV-2-Erreger handelt, der sich von dem SARS-CoV-2-Erreger der ersten Infektion unterscheidet.

Es könnte aber auch sein, dass die Patienten beim ersten Mal gar nicht an COVID-19 erkrankt waren. Denn nicht bei jeder COVID-19-Diagnose werde in China auch auf das neuartige Coronavirus getestet, gibt Wendtner zu bedenken.

Und schließlich stellt sich noch die Frage, über welchen Zeitraum sich die Antikörper in Personen halten, die einmal infiziert wurden.

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