DGKH-Hygienetipp: Es fehle nicht an Evidenz für Eigenschutz durch MNS

Medizinisches Personal mit Mundschutz (Mund-Nasen-Schutz, MNS).
Schützt ein Mund-Nasen-Schutz (MNS) auch den Träger?
[Fotograf: Heinz Hirndorf, Quelle: Bundesarchiv/ Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de, Kolorierung: Robert Züblin]
Robert Züblin | 09.04.2020 | 12:37 Uhr

In einem aktuellen Hygienetipp auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) wird die Datenlage präsentiert, aus der die Evidenz folge, dass der Mund-Nasen-Schutz (MNS) auch den Träger schütze.

Falscher Eindruck von MNS-Schutzwirkung

Das Robert Koch-Institut (RKI) beharrt darauf, dass es keine hinreichende Evidenz dafür gebe, dass der Mund-Nasen-Schutz (MNS) – auch OP-Maske genannt – die ihn tragende Allgemeinbevölkerung vor einer Ansteckung mit respiratorischen Erregern schütze.

Am 31. März 2020 hieß es auf der RKI-Website als Antwort auf die Frage „Ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Allgemeinbevölkerung zum Schutz vor akuten respiratorischen Infektionen sinnvoll?“ unter anderem:

„Hingegen gibt es keine hinreichende Evidenz dafür, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trägt, signifikant verringert.“

Am 1. April 2020 hat das RKI die Frage leicht abgewandelt, die nun lautet: „Wann ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Öffentlichkeit zum Schutz vor SARS-CoV-2 sinnvoll?“ In der Antwort verwendet das RKI statt des Begriffes „Evidenz“ nun den Begriff „Belege“:

„Hingegen gibt es keine hinreichenden Belege dafür, dass ein MNS oder eine Behelfsmaske einen selbst vor einer Ansteckung durch andere schützt (Eigenschutz). “

Ursprünglich hieß es vom 28.1.2020 bis zum 31.1.2020 auf die damals noch etwas anders lautende Frage „In welchen Situationen ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Allgemeinbevölkerung zum Schutz vor akuten respiratorischen Infektionen sinnvoll?“:

„Dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Öffentlichkeit das eigene Risiko einer Ansteckung signifikant verringert, ist nicht wissenschaftlich belegt (kein Eigenschutz).
 Nur in besonderen Situationen, z.B. bei der Pflege von erkrankten Personen, kann ein Mund-Nasen-Schutz das Infektionsrisiko des Pflegenden reduzieren.“

Der letzte Passus wurde aber am 1. Februar 2020 entfernt und die eigentliche Aussage, dass es keine Evidenz für die Schutzwirkung durch das Tragen des MNS in der Öffentlichkeit gebe, auf die Aussage verkürzt, es gebe „keine hinreichende Evidenz dafür, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trägt, signifikant verringert.
Davon unbenommen sind die Empfehlungen zum Tragen von Atemschutzmasken durch das medizinische Personal im Sinne des Arbeitsschutzes.“

Dass diese Aussage sich auf das Tragen des MNS im „öffentlichen Raum“ bezieht, könnte der Erstleser aus dem Kontext schließen; zwei Sätze zuvor ist eben vom „öffentlichen Raum“ die Rede. Durch die Ausnahme der Empfehlungen für das medizinische Personal entsteht aber ein ganz anderer Eindruck, den das RKI an dieser Stelle seiner FAQs erzeugt. Dass nämlich der MNS weder der Allgemeinbevölkerung noch dem medizinischen Personal helfe (dem nur Atemschutzmasken, also bestimmte FFP-Masken empfohlen würde) – es demnach grundsätzlich „keine hinreichende Evidenz“ für die Schutzwirkung des MNS für den Träger gebe – unabhängig von der Frage, ob der MNS im „öffentlichen Raum“ getragen wird.

Die darin liegende Behauptung, es gebe keine Evidenz dafür, dass ein Mund-Nasen-Schutz den Gesunden vor Ansteckungen schütze, verwundert insbesondere vor dem Hintergrund, dass es auf derselben Seite des RKI bei der Beantwortung der Frage „Welche Hygienemaßnahmen sollten in medizinischen Einrichtungen bei der Pflege und Behandlung von Patienten mit unspezifischen akuten respiratorischen Infektionen getroffen werden?“ unter Bezugnahme auf das eigene RKI-Regelwerk heißt:

„Bei Erregern von akuten respiratorischen Infektionen, z.B. Influenzaviren oder RSV, sind zusätzlich zur Basishygiene weitere Maßnahmen erforderlich, um eine Übertragung durch Tröpfchen zu unterbinden. Diese zusätzlichen Maßnahmen beinhalten gemäß KRINKO-Empfehlung: […] Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung, bestehend aus Schutzkittel, Einmalhandschuhen und direkt anliegendem mehrlagigem Mund-Nasen-Schutz sowie ggf. einer Schutzbrille, beim Betreten des Patientenzimmers“

Selbst wenn man dem RKI zugutehalten wollte, dass hier ein kommunikatives Missverständnis vorliegt und man immer nur dann von fehlender Evidenz spreche, wenn es um die Eigenschutzwirkung des MNS-tragenden Allgemeinbürgers in der Öffentlichkeit gehe, stellt sich die Frage:

Warum soll der Bürger im Supermarkt, in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Büro nicht genauso durch den MNS vor Ansteckung durch einen SARS-CoV-2-Infizierten geschützt sein, wie in den Fällen, in denen das medizinische Personal ein Patientenzimmer betritt, in dem ein COVID-19-Patient liegt.

Prof. Dr. Klaus-Dieter Zastrow, Arzt für Hygiene und Umweltmedizin, sagt dazu:

„Die Übertragung der Evidenz für die Schutzwirkung des MNS für den Träger im medizinischen Bereich auf vergleichbare Kontakte, wenn Bürger in der Öffentlichkeit aufeinandertreffen, ist eine Frage der Logik und nicht eine Frage, ob es dazu eine passende Studie mit gesonderter Evidenz gibt. Nur weil bestimmte Bürger den MNS falsch tragen beziehungsweise unhygienisch verwenden oder wegen des Tragens des MNS in anderen Hygienefragen leichtsinniger werden, bedeutet das nicht, dass der MNS seine Schutzwirkung für alle Träger im Supermarkt, in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Büro verlieren würde.“

DGKH-Tipp stellt klar, womit das RKI irritiert

Um dem ständigen Hinterfragen der Evidenz der Schutzwirkung für den MNS-tragenden ein Ende zu bereiten, wurde im Hygiene-Sondertipp vom 6. April 2020 „Wen schützt ein Mund-Nasen-Schutz?“ auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) die Datenlage präsentiert, aus der die Evidenz folge, dass der MNS auch den Träger schütze (Eigenschutz).

  • Eine Studie bezüglich der Übertragbarkeit der saisonalen Influenza auf ambulantes Pflegepersonal hätte keinen Unterschied zwischen dem Tragen eines MNS und einer N95-Maske (vergleichbar mit einer FFP2-Maske) gezeigt.
  • In einem in vitro-Modell mit Bioaerosolen sei bei unterschiedlichen textilen MNS eine Schutzwirkung für den Träger zwischen 10 bis 80 Prozent festgestellt worden.
  • Ein anderer Versuch hätte ergeben, dass der Unterschied in Bezug auf die Schutzwirkung von MNS und FFP3-Masken ab Tröpfchen in der Größe von > 1 µm lediglich circa 15 Prozent betragen habe, wobei der Abscheidegrad beim MNS 85 Prozent betragen habe und der der FFP3-Maske fast 100 Prozent.
  • Auch die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut würde in der amtlichen Mitteilung aus dem Jahr 2015 mit dem Titel „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ beziehungsweise in der dazugehörigen Tabelle 1 „Übersicht der Infektionserkrankungen und erforderliche Maßnahmen als Grundlage für Festlegungen im Hygieneplan“ als persönliche Schutzausrüstung für den Schutz des medizinischen Personals bei saisonaler Influenza A oder B, Meningokokkenmeningitis, Mumps, RS-Virus, Röteln und anderen Infektionen das Tragen eines „mehrlagigen, dicht anliegenden Mund-Nasen-Schutzes“ verlangen. Konkret heißt es in einer Fußnote unter der Tabelle zum Kürzel „MNS“: „direkt anliegender, mehrlagiger Mund-Nasen-Schutz“.
  • Außerdem würde die KRINKO sowohl in ihrer Empfehlung zur Prävention postoperativer Wundinfektionen aus dem Jahr 2018 als auch in der Empfehlung zur Basishygiene aus dem Jahr 2015 dem MNS eine Schutzwirkung für das Personal attestieren, wenn es um den Schutz vor dem Verspritzen von Blut, Sekreten und Exkreten gehe.
  • Und schließlich gebe es mehrere Lehrbücher der Krankenhaushygiene, die aus den letzten Jahren stammen würden, in denen der MNS sowohl als Patientenschutz (im Rahmen einer Operation) als auch als Personalschutz (Nahkontakt zu infektiösen Patienten) beschrieben würde.

Der Hygienetipp vom 6. April 2020 nimmt außerdem Stellung zu der Frage, vor was genau der MNS schütze:

„Die Schutzwirkung eines MNS bzw. einer Atemschutzmaske für den Träger hängt in entscheidendem Maße von der Tröpfchengröße ab. Atemschutzmasken (FFP2/3, N95/NISOH) werden mit Aerosolen einer Tröpfchengröße von durchschnittlich 0,2 Mikrometern geprüft und schützen optimal vor Aerosolen und natürlich auch vor größeren Tröpfchen. Die Schutzwirkung wird allerdings durch Gesichtshaare (Vollbärte oder Koteletten) erheblich verringert. Mehrlagige chirurgische MNS schützen dagegen nur vor den größeren Tröpfchen über 1 Mikrometer, wie sie der Mensch beim Husten oder Niesen produziert.“

Im Hygienetipp vom 29. März 2020, der auf der DGKH-Website veröffentlicht wurde, heißt es vor dem Hintergrund der Prüfung der Schutzwirkung von Masken gegenüber einem Aerosol, bei dem die mittlere Partikelgröße 0,2 Mikrometer betragen habe:

„Der Mensch ist ohne technische Hilfsmittel (z. B. Absaugkatheter oder Induktion durch entsprechende Manipulation wie z. B. Endoskopie der tiefen Atemwege) jedoch nicht in der Lage, bei Hustenstößen oder Niesen aus dem Respirationstrakt derart kleine Tröpfchen zu produzieren. In klinisch relevanten Szenarien werden meist Tröpfchengrößen über 5 μm nachgewiesen. Modellversuche mit Bioaerosolen von bereits 1 Mikrometer zeigten gegenüber dem beschriebenen Versuchsmodell der Berufsgenossenschaften eine den Atemschutzmasken vergleichbare Schutzwirkung von MNS.“

COVID-19